Allgemeiner Denzeiger für Ladenburg und Schriesheim. 225 Poſtproviſton. Expeditionen nehmen Inſerate für uns an. a0 Mittwoch und Samstag und koſtet vierteljährlich ! M. 20 Pfg. mit illuſtrirtem Anterhaktungsblatt 1 Mk. 70 ezel Juſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die einſpaltige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Local-Anzeigen mit 6 Pfg., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. 5 ſprechende Rabattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirth Franz Carqué zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inſerate an. — Alle Annoncen ⸗ Bei größeren Aufträgen ent⸗ Nr. 1. Dienſtag, den 1. Januar Feierlich mit ehrnem Munde m 1 Zwölf Uhr ruft, die Glocke hier, Neuen Jah e 5 e 1884 Und ob manchmal alles Mühen Eitel und vergeblich ſcheint: 69 3 Auf der Schwelle ſtehen wir: Wie wird das Geſchick geſtalten Uns des, neuen, Kreislaufs Walten? Jahre kommen, Jahre gehen, Aber mancher Wunſch uns bleibt; Hoffnung flieht, wie Windeswehen Vor ſich her die Blätter treibt — Eines nur, das Wahre, Gute, Ewig ſtrebt, mit neuem Muthe. Ob im Ringen oft erlegen, 5 Friſch erhebt es ſich zum Streit; Ob der Gegner auch verwegen Und der Sieg entfernt ſo weit: Unverdroſſen nur gerungen — Manches wird durch Kampf erzwu Gibt vom? Jahresſchluß die Kunde — Neu der Eifer muß erglühen, Ob der Zweifel anders meint — Nur wer ausharrt, holt die Krone Endlich ſich zum Preis und Lohne. Was nicht wahr und ächt, verfliegen Muß es wie die Spreu ſo leicht; Seichte Quellen ſchnell verſiegen — Was der Tief entquoll, nicht weicht: So des Herzens ernſtes Sehnen, Nein, es iſt kein eitles Wähnen. Blick, o Gott, auf uns hernieder, Du, der Schwachen Schutz und Hort; Unſrer Sehnſucht heilige Lieder Höre gnädig, ſprich Dein Wort: Deine Weisheit, Macht und Güte Sei's, die unſer Heil behüte! ore ee T 5 Angelika. 5 Novelle von C. von CLenzendorf. Machdruck verboten.) . 4 5 11705 8 Fortſetzung. f „Doch wir haben auch dafür gebüßt, meinem Manne hat es wenigſtens manchen Kummer bereitet und daß alle Geſchwiſter glücklicher geweſen wären, wenn wir auch mit Sigismund eine herzliche Freundſchaft unterhalten hätten, ſieht heute Jedes 0 von uns ein.“ „Ich weiß nicht, wer Alles ſchuld an dieſer Trennung und Entfremdung war,“ erwiderte Frau von Roden in herzlichem Tone, „Sigismund hat mir niemals eine uähere Mittheilung gemacht, er ſagte nur oſt: Meine Geſchwiſter wollten mich einſt nicht, drum mag ich ſie jetzt auch nicht. Aber manchmal ſcheint es ihn doch ſehr geſchmerzt zu haben, daß er ſich von ſeinen Geſchwiſtern entfremdet zumal als unſere Angelika größer und größer wurde. Aber verzeihen thun wir Ihnen vom ganzen Herzen, Frau Schwägerin!“ — „Warum mag Sigismund ſo lange Jahre nur ſo abgeſchloſſen hier gelebt haben?“ erwiderte nach 1 hatte, denn er zeigte oft viele unglückliche Stunden, einer Pauſe Frau von Wulfenſtein. „Er brauchte ja nicht unbedingt mit uns zu verkehren, er konnte noch andere Freunde finden.“ „Die Gründe hierfür ſind einfach,“ meinte Frau von Roden treuherzig, „Sigismund fürchtete mit ſeiner indiſchen Frau überall Anſtoß zu erregen, wenigſtens in der feinen Geſellſchaft und mit ge⸗ wohnlichen Leuten mochte er nicht verkehren. Er ſagte aber oft, daß er nicht Luſt hälte, über ſich und mich ſpotten zu laſſen, er brauche die hoffähr⸗ tigen Menſchen- nicht und könne allein leben und ſterben und dabei blieb es, wenige Reiſen ausge⸗ nommen, die er dann und wann mit uns gemacht hat.“ „Ich verſtehe jetzt den ſeltſamen Zuſammenhang der Lebensverhältniſſe meines Bruders vollkommen,“ erwiderte Frau von Wulfenſtein. „Freilich bleibt es bei alledem ſehr traurig, daß er mit ſeiner Frau und Tochter ſo einſam neben ſeinen nächſten Ver⸗ wandten gelebt hat und nun auch ſo geſtorben iſt, er hatte dieſes Loos ſicherlich nicht verdient, denn daß er ein gutes Herz beſaß, hat er immer bewieſen, auch noch in ſeinem Tode.“ d „Gnädige Frau,“ antwortete hierauf die Frau Baroneſſe pon Roden mit orientaliſcher Lebhaftigkeit und faßſte Frau von Wulfenſtein mit feuriger Zärtlichkeit bei den Händen, „gnädige Frau, nicht wahr, Sigismund beſaß ein goldenes Herz, das wiſſen wir, das wiſſen wir am beſten und ganz beſonders freut es mich, daß auch noch andere Menſchen ſo denken wie wir. O daß er ſobald ſterben mußte und nicht erfahren konnte, daß ihn auch ſeine Schweſter lieb hatte! Armer Sigismund, armer Sigismund!“ Die Indierin wurde von Rührung überwältigt und weinte um ihren Gemahl mit einem ſo ſicht⸗ baren Schmerze, daß Frau von Wulfenſtein auch von tiefſter Rührung ergriffen wurde und ſich inner⸗ lich ſagte: Dieſe Frau iſt zweifellos Sigismunds Gemahlin geweſen, denn ſie hat ihn wahrhaftig lieb und es iſt kaum daran zu zweifeln, daß Sigis⸗ mund ſeinem Verhältniſſe zu dieſer Frau die geſetz⸗ liche Weihe durch Abſchluß einer Ehe mit ihr gege⸗ ben hat. Lange ſchluchzten die beiden Frauen und auch Fräulein Angelika, des Barons hinterlaſſene Tochter, die ſich kindlich und furchtſam in die Arme ihrer Mutter geſchmiegt hatte. Endlich ermannte ſich zuerſt Frau von Wul⸗ fenſtein und ſagte mit verſchleierter Slimme: „Liebe Schwägerin, auch die Thränen haben ihre Zeit und der heftigſte Schmerz weckt die die Todten nicht wiedeg auf. Betrauern wir den guten Sigismund in unſerm Herzen, bewahren wir ihm ein ehrendes Andenken und handeln wir ſo, daß er, wenn er noch lebte, ſeine Freude an unſeren Handlungen haben würde.“