. Allgemeiner Jenzeiger für Ladenburg und Schriesheim. Poſtproviſion. nehmen Inſerate für uns an. Erſcheint Mittwoch und Samstag und koſtet vierteljährlich ! M. 20 Ff. mit illuſtrirtem Anterhaltungsblatt 1 Mk. 70 Pf. excl. 8 Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die ein⸗ paltige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Local-Anzeigen mit 6 Pf., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen entſprechende Rabattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirt Franz Carqué zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inſerate an. — Alle Annoncen⸗Expeditionen Nr. 97. Mittwoch, den 6. Dezember 1882. e 1 Baden⸗Baden, 4. Dez. Das Großher⸗ zogliche Paar wird hier gegen den 10. d. von Stockholm zurückerwartet. . Deutſches Reich. Zum drittenmale in ieſem Jahre iſt Kronprinz Rudolf von Gſterreich der Gaſt Kaiſer Wilhelms und zwar folgte Kron⸗ prinz Rudolf einer Einladung unſers Kaiſers zu den Hofjagten, welche am vergangenen Freitag und Sonnabend bei Letzlingen ſtattfanden. Es können ieſe wiederholten Beſuche des öſterreichiſchen Thron⸗ rben in Deutſchland als ein markantes Zeichen der zwiſchen den Kaiſerhöhen von Berlin und Wien beſtehenden herzlichen Beziehungen betrachtet werden. Der Reichstag hatte ſich bei ſeiner erſten, nach iemlich ſechsmonatlicher Pauſe am vergangenen Donnerstag wieder ſtattgefundenen Sitzung mit einer Frage, die bereits einmal an ihn herangetreten iſt, zu beſchäftigen. Es handelte ſich nämlich um ie dritte Leſung des in den beiden erſten Bera⸗ tungen vom Reichstage angenommenen Antrages er reichsländiſchen Abgeordneten, den Bundesrats⸗ eſchluß bezüglich der Einführung der deutſchen prache und der Offentlichkeit bei den Sitzungen es Landes⸗Ausſchuſſes von Elſaß⸗Lothringen dahin bzuändern, daß den des deutſchen nicht mächtigen Mitgliedern des Landes ⸗Ausſchuſſes der Gebrauch der franzöſiſchen Sprache unter gewiſſen Bedingungen geſtattet werde. Für den Antrag plaidierte außer dem Abg. Horn von Bulach, was bei deſſen Ei⸗ enſchaft als Elſäſſer erklärlich iſt, und dem Redner der Polen, v. Jagdzewski, ſowie dem demokratiſchen bgeordneten für Frankfurt a. M., Sonnemann, ſehr bezeichnender Weiſe auch der Sprecher des Centrums, Dr. Windthorſt. Gegen den Antrag erklärten ſich neben den konſervativen Rednern von liberaler Seite die Abg. v. Bennigſen, v. Treitſchke und Rickert. Namens der Regierung legte Staats⸗ miniſter v. Bötticher in überzeugender und klarer Weiſe dar, wie wenig der Antrag der reichsländi⸗ ſchen Abgeordneten den thatſächlichen Verhältniſſen entſpreche; mehr als 80% der reichsländiſchen Be⸗ völkerung gehörten dem deulſchen und nur 11% dem rein franzöſiſchen Sprachgebiete an, die An⸗ nahme des Antrages würde außerdem eine Stärkung der franzöſiſchen Sympathien in Elſaß⸗Lothringen bedeuten und dadurch die Beſtrebungen derjenigen Partei ſchwächen, welche ein friedliches Gedeihen des Landes unter der deutſchen Herrſchaft anſtrebe. In namentlicher Abſtimmung wurde ſchließlich der An⸗ trag mit 153 gegen 119 Stimmen des Centrums, der Polen, Elſaß⸗ Lothringer, Volksparteiler und Socialdemokraten abgelehnt und jeder wahrhaft deutſch fühlende Mann kann nur Genugthuung hierüber empfinden, daß die Macht der Thatſachen und des patriotiſchen Gefühles doch den Sieg da⸗ vongetragen hat. — In der Sitzung vom Donners⸗ tag gingen dem Reichstage die Etats pro 1883/84 und 1884/85 zu. — In der nächſten Sitzung vom 2. Dezember beſchäftigte ſich das Haus u. A. mit dem fortſchrittlichen Antrage betreffend die Ent⸗ ſchädigung unſchuldig Verurteilter und mit dem Antrage des Abg. Liebknecht (ſoc.) auf Aufhebung ſämtlicher Ausnahmegeſetze. Berlin, 4. Dez. Fürſt Bismarck iſt geſtern abend hier eingetroffen und hatte heute nachmittag von 4 bis 5 Uhr Audienz beim Kaiſer. Rom, 3. Dez. Herr v. Giers iſt in ver⸗ gangener Woche in Rom eingetroffen und von den Vertretern der italieniſchen Regierung mit großer Auszeichnung empfangen worden. Am Freitag hatte Herr v. Giers eine längere Audienz beim Könige und am Abend dieſes Tages fand ihm zu Ehren in der preußiſchen Botſchaft ein Diner ſtatt, an welchem die Miniſter Depretis und Aclon, ſowie verſchiedene andere Mitglieder des italieniſchen Staatsminiſteriums, von dem diplomatiſchen Corps aber bemerkenswerter Weiſe die Botſchafter Deutſch⸗ lands und Oſterreichs teilnahmen. Die Anweſenheit des ruſſiſchen Staatsmannes in Rom gibt wiederum zu allerhand Gerüchten Anlaß, die man aber beſſer auf ſich beruhen läßt, da ſie nichts als Conjektu⸗ ren ſind. Kairo, 3. Dez. Arabi Paſcha wurde heute vormittag 9 Uhr nach eingeholter Zuſtimmung ſeines Verteitigers, des engliſchen Advokaten Broadley, in der Halle des alten Dairagebäudes vor das Kriegs⸗ gericht geſtellt. Den Vorſitz führte Rauf Paſcha. Die Anklage lautete auf bewaffnete Rebellion. Arabi bekannte ſich ſchuldig. Die Verhandlung dauerte kaum fünf Minuten. Nur wenige Europäer wohnten ihr bei. Nachmittags drei Uhr trat das Gericht wieder zuſammen. Der Präſident verlas das Er⸗ kenntnis, wonach Arabi, da er ſich ſchuldig bekannt hätte, hätte zum Tode verurteilt werden müſſen, durch die Gnade des Khedivs indeſſen zu lebens⸗ länglicher Verbannung begnadigt werde. Dieſe Strafe wurde dann auch über den Angeklagten aus⸗ geſprochen. — In dem Dekret des Khedivs, betr. 8 die Begnadigung Arabis, iſt gleichzeitig ausgeſpro⸗ chen, daß die Todesſtrafe vollſtreckt werden ſoll, falls Arabi ohne Erlaubnis nach Egypten zurück⸗ kehren werde. Egypten. Der Aufſtand im Sudan. Der Führer dieſes Aufſtandes iſt ein Mann, welcher ſeinerzeit von der egyptiſchen Regierung mit vieler Auszeichnung behandelt iſt; als Gordon Paſcha Der Schloßherr. Novelle von Th. von Aſchenberg. (Fortſetzung.) Breih weder Eigentümer noch Landbebauer, bſchon das Hauschen und ein Stückchen Feld hin⸗ r demſelben ihm gehörte; allein beides war ſo mit Schulden und Hypotheken überladen, daß es jeden Tag eine Beute der Gläubiger zu werden drohte. Breihs Exiſtenzmittel waren daher ſehr de⸗ likater Natur, da Trägheit und Lüderlichkeit ihn von jeder ernſten und andauernden Arbeit abhielten. Er hatte in Handelsgeſchäften einen gewiſſen Scharf— blick und eine Überredungsgabe, die viele ſtreitende Teile zu ihm zogen. Er erteilte Ratſchläge in allen verwickelten Geſchäften, nahm die Schritte auf ſich, die ſonſt Niemand thun wollte, vermittelte faſt allen Handel mit Getreide und Vieh der Umgegend und ließ ſich bald mehr, bald weniger Maklerlohn geben, aber immer möglichſt viel. Er war ein Agent und Winkeladvokat, der aber leider zu oft mit der ſtra⸗ u Gerechtigkeit in nahe Berührung kam, daß 1 Mnke⸗ 5 11 hoſen, c. A. — 80 er nicht als ehrlicher Makler gelten konnte. Blreih beſaß außerdem noch eine merkwürdige Geſchicklichkeit in allen in jener Gegend üblichen Kartenſpielen und ſeine monatlichen Gewinnſte beim 1 f Kartenſpiel würden ihm ſchon allein eine ruhige * Exiſtenz geſichert haben, wenn er nicht ein unver⸗ beſſerlicher Trunkenbold geweſen wäre. Deshalb ernährte er auch ſeine Familie nur kümmerlich ſeit dem Tage, an welchem ihm der Pacht des Weiß⸗ hofs entgangen und er noch in allerlei Verruf ge⸗ kommen war, ſo daß man nur noch ſelten ſeine Mallerdienſte benutzte. Herr von Fliera erreichte bald das Haus Breihs, das wie alle andern der Gegend, aus roten Backſteinen gebaut war und ein mit Moos durch⸗ wachſenes Ziegeldach hatte. Es war einſtöckig, zeigte vielſach ſtatt der Fenſterſcheiben ölgetränkte Papier⸗ ſtreifen und gab in ſeinem ganzen Außern beredtes Zeugnis für das Elend und die Dürftigkeit ſeiner Bewohner. Als ſich der Schloßherr dem Eingange des Hauſes näherte, hörte er lautes Kindergeſchrei aus dem Innern dringen. Eine ſchwache, zitternde Stimme, ohne Zweifel die der Mutter, ſuchte das Kind zu beruhigen, aber vergebens. Fliera drückte beherzt auf die Thürklinke und trat ein. Hier bot ſich ihm erſchreckendes Bild. Das Zimmer war in einem Zuſtande gänz⸗ licher Verwahrloſung, die meiſten Dielen des Zim⸗ mers waren zerbrochen oder aufgeriſſen; der Regen war durch die Balken der Decke gedrungen und hatte auf der Mauer feuchte Flecken zurückgelaſſen; ein armſeliges Bett, eine wackelige Kinderwiege, ein dreibeiniger Tiſch und einige zerfetzte Strohſtühle waren die Möbel dieſes traurigen Zimmers. Ein Reiſigfeuer, das im offenen Kamine brannte, erfüllte den ganzen Raum mit einem dicken, beißenden Rauch. Im Bette lag eine kranke Perſon, deren Züge man zwar in dem Halbdunkel des Zimmers nicht erkennen konnte, deren Seufzen und leiſes Wimmern man aber hörte, wenn das Kind einen Augenblick im Schreien innehielt. Ein kleiner Knabe von ungefähr fünf Jahren, halbnackt und nur mit einigen Lumpen eingehüllt, kauerte auf dem Boden neben der Wiege und ſuchte ſein Schweſterchen zu beruhigen. Breih war nicht anweſend; aber eine auf dem Tiſche ſtehende leere Flaſche, ſowie ein leeres, noch von Branntwein riechendes Glas zeig⸗ ten, daß er erſt vor wenigen Augenblicken fortge⸗ gangen war. Der Schloßherr blieb ſtorr und überraſcht bei dem Anblick ſolchen Elendes ſtehen. Das Geräuſch, welches er bei ſeinem Eintritte verurſachte, verriet indeſſen ſeine Gegenwart. Das Kind in der Wiege hörte auf zu ſchreien, als es einen Fremden ſah und der größere Knabe betrachtete den Eingetretenen mit ſtieren Blicken. Eine klägliche Stimme ertönte aus dem Bette: „Sind Sie es, Frau Lampert? O wie gut ſind Sie, daß Sie noch einmal zu mir kommen! Ich kann Sie nicht zum Sitzen ein⸗ laden, denn mein Mann iſt ganz in der Nähe und kann jeden Augenblick wiederkommen. — Aber ich leide heute ſehr! O Gott, wie ich leide!“