A Jenzeiger für Ladenburg und Schriesheim. Poſtproviſion. ſpaltige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., nehmen Inſerate für uns an. Erſcheint Mittwoch und Samstag und koſtet vierteljährlich ! . 20 Pf. mit illuſtrirtem Awterhaktungsbtatt 1 Mk. 70 Pf. excl. Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die ein⸗ Local-Anzeigen mit 6 Pf., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. Rabattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirt Franz Carqus zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inſerate an. — Alle Annoncen⸗Expeditionen Bei größeren Aufträgen entſprechende Nr. 42. Samstag, den 27. Mai 1882. 5 Politiſches. Baden⸗ Baden, 23. Mai. Der Großherzog und die Großherzogin haben heute mittag unſere Stadt nach ſiebenmonatlichem Aufenthalt verlaſſen 5 und ſich nach Badenweiler begeben. Der Großher⸗ zog hat in einem huldvollen Schreiben an den Oberbürgermeiſter der Bevölkerung ſeinen Dank für ihre Teilnahme und 20 0 die Hoffnung auf ein frohes Wiederſehen ausgeſprochen. Aus Baden, 24. Mai. Wie der Schw. Merkur vernimmt, iſt der Biſchof Hefele von Rottenburg mit der Konſekration des Erzbiſchofs Orbin von Freiburg beauftragt worden. Berlin, 24. Mai. Der „Provinzial⸗Kor⸗ reſpondenz“ zufolge reiſt der Kaiser nach Ems. Zdwiſchen dem 12. und 18. Juni nach drejwöchigem Kurgebrauch iſt ein mehrtägiger Aufenthalt auf der Mainau beabſichtigt, ſodann folgt eine gleichfalls uf drei Wochen berechnete Kur in Gaſtein, nach deren Beendigung in der Hälfte des Auguſt der Kaiſer nach Berlin zurückkehrt. 1 — Die „Provpinzialkorreſpondenz“ ſchreibt: Die Gotthardbahn könne das Mittelmeer wieder zum elthandelsmeer machen. Deutſchl and werde jetzt in weit höherem Grade als im Mittelalter in das große Verkehrszentrum hineinwirken und die beleb⸗ enden Wirkungen desſelben empfangen. Bedingung ſei nur, daß das deutſche Volk gedeihe. Das Ge⸗ deihen der Völker hänge von der Tüchtigkeit der ſtaatlichen Organiſation und von der Stärke des chriſtſichen Geiſtes ab, um bei dem Wachstum der materiellen Güter ein gerechtes Verhäl tnis zwiſchen allen Volksteilen zu bewahren. Es ſei daher ein glückliches Vorzeichen, daß die Gotthardbahn zum uten Teil das Werk des Fernblicks und der Ge⸗ ſchichtlichkeit der deutſchen Staatskunſt ſei. 5 Berlin, 25. Mai. General Graf Loris⸗ Melikoff hat während ſeiner Anweſenheit hier offen geäußert, die Krönungsfejer in Moskau wäre ohne vorausgängige weitgehende Konzeſſionen an den Volkswillen undenkbar. Das Regiment Ignatieff aber habe leider alle günſtigen Momente zu ſolchen Zugeſtändniſſen verſäumt. Der Czar ſei ratlos u. mißtrauiſch gegen Jedermann, auch gegen Ignatieff, habe aber keinen Erſatz für dieſen. Wien, 24. Mai. Offiziell wird aus Moſtar, 23. Mai, gemeldet: Vormittags fand ein vier⸗ ſtündiges Gefecht der Truppendetachementsabteilung Hanziegy mit 100 Inſurgenten ſtatt, welche, nach⸗ dem ſie in der rechten Flanke gefaßt waren, unter Verluſt von mindeſtens zwölf Toden in die Flucht geſchlagen wurden. Von den Truppen wurde ein Mann leicht verwundet. Paris, 23. Mai. Der Miniſterrat ernannte eine Kommiſſion von 36 Mitgliedern zur Prüfung des Planes eines Kanals vom atlantiſchen Ozean nach dem Mittelmeere. London, 22. Mai. Der Rat der feniſchen Bruderſchaft hat, wie aus New⸗York gemeldet wird, einen blutdürſtigen Aufruf erlaſſen der augenſchein⸗ lich von O'Danovon Roſſa verfaßt worden. Die Epiſtel tadelt es, daß Irländer von der Dubliner Blutthat als einem Morde ſprechen. „Nennt es eher den Zorn Gottes, welcher die Bedrücker ereilte. Laßt uns in Trauer, ja, in Sack und Aſche, für unſere eigenen Toden und nicht für die des Fein⸗ des, kleiden.“ Das Manifeſt ſchließt wie folgt: „Unſern Brüdern von jeder jriſchen geheimen revo⸗ lutionären Organiſation geben wir hiermit die feier⸗ liche Erklärung ab, daß die Parole der Stunde ausgegeben worden und wir uns verdoppelter En⸗ ergie und Ergebung, ja ſelbſt mit einer Wildheit, die der unſeres Erzfeindes gleichkommt, auf das uns bevorſtehende große Werk zu verwenden und wir legen allen unſeren Brüdern, in der Heimat und hier, die Notwendigkeit an das Herz, alle ver⸗ fügbaren Kräfte und die herzliche Mitwirkung für unſeren gemeinſamen Zweck — die Zerſtörung und Vernichtung der britiſchen Macht in Irland — zu vereinigen. Petersburg, 24. Mai. Der „Regierungs- Anzeiger veröffentlicht einen vom Miniſter⸗Komite vereinbarten und vom Kaiſer am 15. Mai beſtätig⸗ ten Erlaß, vier Punkte hinſichtlich interimiſtiſcher Vorſchriften für die Juden enthaltend, wonach erſtens den Juden verboten iſt, von jetzt ab ſich außerhalb von Städten und Dörfern niederzulaſſen, ausge⸗ nommen ſind die ſchon beſtehenden Judenkolonien; zweitens vorläufig alle Kauf⸗ und Pachtabſchlüſſe mit Juden zu ſiſtiren ſind; drittens den Juden es verboten iſt, an Sonn⸗ und Feiertagen, wo chriſt⸗ liche Geſchäfte geſchloſſen find, Handel zu treiben; viertens der Punkt eins und drei iſt nur in Gou⸗ vernements anzuwenden, wo Juden ſtändig anſäſſig ſind. Petersburg, 24. Mai. Der Regierungs⸗ bote gibt auf Befehl des Kaiſers bekannt: Die Re⸗ gierung iſt feſt entſchloſſen, unabläßlich alle Gewalt⸗ thätigkeiten an Perſon und Eigentum der Juden, welche unter dem Schutz der für alle Unterthanen giltigen Geſetze ſtehen, zu ahnden. Die Behörden ſind angewieſen, unter ihrer perſönlichen Verant⸗ wortlichkeit rechtzeitig Maßregeln zur Verhütung der Unterdrückung von Judenexzeſſen zu ergreifen. Jeg⸗ liche Fahrläſſigkeit der Behörden wird durch Dienſt⸗ entlaſſung beſtraft. 7 Verſchiedenes. — Karlsruhe, 21. Mai. In Vertretung Sr. Kgl. Hoh. des Großherzogs hat Se. Kgl. Hoh. der Erbgroßherzog dem Herrn Erzbiſchof Dr. Jo⸗ hann Baptiſt Orbin von Freiburg das Großkreuz des Zähringer Löwen⸗ Ordens mit der goldenen Kette und dem Hofrat Dr. Otto Becker, Direktor der Augenklinik in Heidelberg, das Kommandoͤrkreuz zweiter Klaſſe desſelben Ordens mit Eichenlaub verliehen. — Aus Lahr ſchreibt man: Hier iſt dieſer Tage Fabrikant Reinbold berduftet, ohne Angabe ſeiner Adreſſe. Der Mann hatte ein ſchönes Ein⸗ kommen als Gasdirektor und war zugleich Beſitzer einer mechaniſchen Weberei. Nicht die Ungunſt der Zeitverhältniſſe, ſondern eine üppige Haushaltung ſoll den Mann zum leichtſinnigen Schuldenmacher gemacht haben. Man ſpricht von großen Verluſten. Mein Großoheim. Erzählung von E. Reisner., an (Fortſetzung.) ö Die alte Feſſel freilich trug ich mit mir, es war nur keine Roſenkette mehr. Ich empfand ihren Druck, peinlicher noch das Gefühl einer leiſen Reue — warum war ich zurückgekehrt? — 51 Der Eintritt eines Dieners endlich unterbrach mein einſames Sinnen; Frau von Mynocz ließ um meine Gegenwart unten bitten. „Sie müſſen ſein von der Partie, Doktor,“ kief ſie mir lebhaft entgegen, „wir wollen reiten, Herrſchaften begleiten bis zur Grenze, dann nach Olenka hinüber; Sie ſahen noch nicht und der Abend wird wundervoll!“ „Es wird zu ſpät, gnädige Frau,“ bemerkte ich mit einem Blick nach Weſten hinüber, wo der Glutball der Sonne ſich bereits dem Horizont näherte. „Ah, ſchon wieder der deutſche Pedant!“ un⸗ terbrach ſie mich lachend, „wenn ich nicht fürchte, zu reiten ſpät nach Cherzowa zurück, Sie ſollen nicht ſpielen Hofmeiſter, Sie ſollen ſpielen meinen Kavalier!“ Ein ſchelmiſcher Blick aus den dunkeln, ahlenden Augen verſüßte den Spott, wer hätte onnaiez iets da ritt an ihrer Seite durch den lauen, duftigen Juni⸗ abend!“ Sie ſah herrlich aus, die ſchlanke Geſtalt im dunkeln Reitkleid, mit der wehenden Feder auf dem Hütchen, ſo leicht und ſicher im Sattel ruhend. Ich hatte volle Muße, mich dem Anblick, aus be⸗ ſcheidener Entfernung hinzugeben, denn das Amt des Kavaliers war vorläufig in andern Händen, ich „ſpielte noch Hofmeiſter!“ Ein feuriger, be⸗ weglicher Vollblutpole, der Rittmeiſter v. Czymanski, ritt an ihrer Seite; ſie plauderte lebhaft im hei⸗ miſchen Idiom, auch die Augen ſprachen, wie mich dünkte! Doch, das thaten ſie immer! Die glänzende Cavalcade, die von Cherzowa aufgebrochen, wurde kleiner und kleiner, wie die einzelnen Glieder allmälig, der eigenen Heimſtätte nahe, ſich abtrennten; der Rittmeiſter, deſſen Gegen⸗ wart uns jeder üblichen Grenzplackerei, auch für den Heimritt, überhoben, blieb bis zuletzt. Nahe vor Olenka erſt ſprengte er querfeldein ſeinem kleinen m widerſtanden und der Ausſicht auf den Heim⸗ Garniſonsorte zu, während Wanda, mich an ihre Seite winkend, in die ſchon tiefdämmernden Park⸗ alleen ihres Beſitztums einlenkte. Es war ein reizendes Fleckchen Olenka, eine Oaſe, friſch und grün, wie Wanda es geſchildert, Garten und Park von ſchmalen, ſchnellfließenden Waſſeradern belebt, von köͤſtlichem Waldodem durchhaucht. Mitten inne das einfache Schlößchen, draußen die niederen Dorfhütten male⸗ Erde, dieſes riſch im Baumſchatten gruppiert; der Begriff, den man im allgemeinen mit dem Ausdruck: „polniſches Dorf“ verbindet, traf hier durchaus nicht zu. „Sehen Sie, Doktor,“ ſagte Wanda in ihrer kindlichen Weiſe, als ich meine Freude an dem hübſchen, kleinen Beſitze ausgeſprochen hatte, „ſehen Sie, daß ich nicht ſagte zu viel von meinem Olenka ? Aber wir wollen abſteigen; ich muß begrüßen meine alte Maruſchka, kommen Sie!“ Ein herbeieilender Knecht nahm die Pferde in Obhut, die alte Schließerin, die uns an der Thür entgegen trat, küßte nach polniſcher Sitte mit tiefer Kniebeugung den Saum des Reitkleids ihrer ſchönen Herrin, während dieſe gütig, ja weich zu der Die⸗ nerin ſprach, die, wie ſie äußerte, ihr noch von der Kinderzeit her vertraut und lieb ſei. Dann raſteten wir ein wenig auf den Steinſitzen am Hausthor und erquickten uns an der friſchen, ſahnigen Milch, die Maruſchka brachte. Wanda war hier eine Andere, als ſonſtwo; die heimiſch⸗ ländliche Umgebung ſchien ſäuftigend auf ſie, das lebhafte Kind des Augenblicks, zu wir⸗ ken. Sie ſprach bewegt, in zärtlicher Erinnerung von ihrer Mutter, mit der ſie hier gelebt, auch von der Großmutter, deren Bild im Erkerzimmer von Schloß Cherzowa hing und Wanda zum Verwechſeln glich. Mir war das nie ſo entſchieden aufgefallen, als eben jetzt, wo die herrlichen Augen ſich wie im träumeriſchen Sinnen halb und den Lidern bargen