75 Allgemeiner Anzeiger für Ladenburg und Schriesheim. Erſcheint Mittwoch und Samstag und koſtet vierteljährlich ! M. 20 Pf. mit illuſtrirtem Anterhaltungsblatt 1 Mü. 70 Pf. excl. Poſtproviſion. i Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die ein⸗ 5 ien oder deren Raum mit ö 10 Pf., Local⸗Anzeigen mit 6 Pf., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. Bei großeren Aufträgen entſprechende abattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirt Franz Carqus zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inſerate an. — Alle Annoncen⸗Expeditionen nehmen Inſerate für uns an. Nr. 72. Wittwoch, oͤen 7. September 1881. Veolitiſches. Offen W 2. Sept. Wie unge und un⸗ ſere Parteiverhältniſſe ſind, zeigt ſich anläßlich der Sedanfeier. Abgeſehen davon, daß dieſe Feier leider ſchon da und dort, von ultramontanen und anderen Einflüſſen bemäkelt, unterbleibt und man die großen Tage nationaler Erhebung, deren lebendiges An⸗ denken unſerem Volke ſo notwendig, ohne Sang und Klang vorübergehen läßt, verlangt der Ber⸗ liner Börſenkurier ſtatt dieſer Feier ein inneres Se⸗ dan gegen die Konſervativen, der Reichsbote dagegen ein ſolches gegen Fortſchritt und Judentum, und alle Parteien hätten doch bei dem Nationalfeſte triftige Veranlaſſung, recht über ſich ſelbſt nachzu⸗ denken. Heidelberg, 2. Sept. Der Tag, an wel⸗ chem heute vor 11 Jahren der große Rieſenkampf zwiſchen Deutſchland und Sedan, ſonderbarer Weiſe bei der Geburtsſtätte eines der größten Krieger des letzteren Landes, des Marſchalls Turenne, geſchlagen ward, wurde trotz dem regneriſchen Wetter heute feſtlich dahier begangen. Die Stadt prangte im reichſten Fahnenſchmucke und Kanonendonner weckte die Bewohner um 6 Uhr morgens aus ihrem Mor⸗ genſchlafe. Die Feuerwehr hielt Tagwache unter Muſikbegleitung. Um 9% Uhr war in der Peters⸗ kirche Feſtpredigt, welche dieſes Mal Herrn Stadt⸗ pfarrer Hönig oblag. Der Prediger erinnerte da⸗ ran, in welchem Geiſte wir uns der großen Ereig⸗ niſſe erinnern ſollten; er deutete auf die großen nationalen Errungenſchaften dieſes Krieges hin und hob ſchließlich hervor, daß wir dieſe Erfolge alle nur unter dem tief⸗religiöſen Geſichtspunkte betrach⸗ ten dürften. Um 11 Uhr vormittags wurde eine öffentliche Schulfeier der drei oberſten Klaſſen der hieſigen Volksſchule in den Klaſſenzimmern begangen. Berlin, 1. Sept. Der Miniſter des Innern hat Weiſungen an ſämtliche Regierungsbehörden erlaſſen, wonach dieſe angewieſen werden, „Störungen der öffentlichen Ordnung und Exzeſſe gegen jüdiſche Einwohner, wie ſie in verſchiedenen Orten vorge⸗ kommen, energiſch zu unterdrücken, agitatoriſche Re⸗ den zu verbieten, Verſammlungen zu ſolchen Zwecken aufzulöſen und die Agitatoren erforderlichenfalls ſo⸗ fort zu verhaften.“ Berlin, 4. Sept. Die „Danziger Zeitung“ meldet, daß in Danzig am 9. September der ruſ⸗ ſiſche Kaiſer mit dem deutſchen Kaiſer, wahrſchein⸗ lich auch dem Kronprinzen, zuſammen komme. Der Zar reiſe auf dem ruſſiſchen Kriegsſchiff „Kaiſer Wilhelm“, der deutſche Kaiſer zu Lande von den Konitzer Manövern nach Danzig. Berlin, 5. Sept. Der Beſuch des Kaiſers von Rußland gelegentlich der Manöver bei dem deutſchen Kaiſer iſt wahrſcheinlich! Ort und Tag der Zufammenkunft ſind noch nicht beſtimmt trotz der von Zeitungen ausgegebenen Details. Berlin, 5. Sept. Die „Norddeutſche“ bringt ein Dankſchreiben Bismarck's an Alle, welche ihn am Nationalfeſte, 2. September, durch patriotiſche Begrüßungen erfreuten und ihm bei dieſem Anlaß den Ausdruck der Anerkennung entgegenbrachten. Paris, 5. Sept Stichwahlreſultat: Ge⸗ wählt wurden 56. Republikaner, drei Rohaliſten u. 5 Bonapartiſten. Die Republikaner gewannen 7 Sitze von den Bonapartiſten, drei von den Roya⸗ liſten und verloren zwei Sitze. Die neue Kammer umfaßt mit Ausſchluß der Deputierten der Kolonien 459 Republikaner, 47 Bonapartiſten, 41 Monar⸗ chiſten, das linke Zentrum umfaßt 39, die Linke 168, die „Union Republicaine“ 206 und die äußerſte Linke 46 Mitglider. Paris, 4. Sept. Wie verlautet beſchloß der geſtrige Miniſterrat angeſichts der bedenklichen Lage in Tunis alle tuneſiſchen Städte zu beſetzen. London, 5. Sept. Eine Meldung der „Times“ aus Quetta ſagt, nach authentiſchen Mel⸗ dungen aus Kandahar gab Ahub Khan die Abſicht auf den Emir zu bekämpfen und proklamierte den heiligen Krieg gegen die Engländer. Verſchiedenes. — Ladenburg, 4. Sept. Nach § 61 der Kirchemverfaſſung beſteht die evang. Generalſynode 1) aus dem Prälaten der evang. Landeskirche, 2) aus 7 vom Großherzog zu ernennenden geiſt⸗ lichen oder weltlichen Mitgliedern, darunter einem Mitgliede der theologiſchen Fakulität in Heidelberg und einem ordentlichen Lehrer des Predigerſeminars daſelbſt und 3) aus 48 zu erwählenden Abgeordneten aus 24 geiſtlichen und 24 weltlichen. Nachdem die Wahlen vollendet ſind und die Ernennungen ſtatt⸗ gefunden haben, iſt der Eröffnungstag auf 27 September feſtgeſetzt. Von Seiner Königl. Hoheit dem Großherzog wurden ernannt: 1. Profeſſor Dr. Gaß in Heidel⸗ berg, 2. Stadtpfarrer Eiſenlohr in Gernsbach, 3. Stadtpfarrer Längin in Karlsruhe, 4. Freiherr Karl Rüdt von Collenberg⸗Bödigheim, 5. Amor⸗ tiſationskaſſen⸗Direktor Helm in Karlsruhe, 6. Hof⸗ rat Profeſſor Dr. Behaghel in Freiburg und 7. Kirchenälteſter Dürr in Karlsruhe. Durch dieſe Ernennungen iſt die liberale Par⸗ tei verſtärkt worden. Wir gedenken den Leſern unſeres Blattes die wichtigſten Beſchlüſſe der Synode ſofort mitzul eilen. * Ladenburg, 6. Sept. Vergangene Woche ſtürzte der hochbejahrte Zimmermann Gattung von hier beim Birnen brechen ſo unglücklich vom Baume, daß er in Folge davon, heute morgen ſtarb. * Ladenburg, 6. Sept. Heute morgen fand der hieſige Einwohner B. ſeine 7 Enten tot in ſeinem Stalle und ergab die Unterſuchung, daß dieſelben vergiftet worden ſind. * Ladenburg, 6. Sept. Das hier ver⸗ breitete Gerücht, daß am letzten Sonntag nachts in Ilvesheim ein Burſche erſtochen worden ſei, iſt dahin zu berichtigen, daß derſelbe einen Stich in den Rücken erhielt, aber keine ſchlimme Folgen nach ſich ziehen wird. Auch trug ſich die Affaire nicht in dem Gaſthaus zur „Roſe“ zu, ſondern im „Kreuz“. — Schwetzingen, 5. Sept. Nach dem Ausweis der Stadtwage wurde heute das erſte größere Hopfengeſchäft abgeſchloſſen. 12 Ztr. Am Grabe der Mutter. Erzählung von Paul Bötticher. Alle Rechte vorbehalten. Reichs⸗Geſetz vom II. Juni 1870. 14. (Fortſetzung.) Sie beſaß Mittel genug, um für einige Zeit den notwendigſten Unterhalt zu beſtreiten und war enttſchloſſen, dem Elternhauſe zu entfliehen. Sie wollte ſich an einem andern Ort ſo lange verborgen halten, bis ſie eine ihrer Bildung und Erziehung ongemeſſene Stellung erlangt hatte. Selma ver⸗ hehlte ſich dabei keineswegs, daß ſie durch dieſen Schritt ſich den Vater vollſtändig entfremden und diefer die Hand ganz von ihr zurückziehen konnte, ſo daß ſie arm und verwaist jede Hoffnung auf eine beſſere Lebensſtellung aufgeben mußte. Aber was galt ihr ein glänzendes, von Luxus umgebenes Leben, wenn ihr der innere Frieden, die Ruhe des Herzens ſehlte? Sie dachte an Walther. Was mochte er von ihr denken, wenn ſie heimlich das Haus ihres Va⸗ ters verließ? Wie wird er ſie überhaupt ſchon be⸗ urteilt haben, da ſie in der ganzen Zeit ſeiner Krankheit nicht einmal zu ihm gekommen war? Es zerriß ihr das Herz bei dem Gedanken, von ihm berkannt zu ſein und je länger ſie darüber nachdachte, kam ſie dem Entſchluß, wenigſtens ihm von ihrem Fortgehen Mitteilung zu machen, ihm die Gründe ihrer Handlungsweiſe auseinanderzulegen und dabei ſeinen Rat für ihre ferneren Schritte in Anſpruch zu nehmen. Noch einmal wollte ſie ihm ſagen, wie innig ſie ihn liebe und daß keine Macht der Erde ſie von dieſer Liebe abbringen könne. Wenn ſie ihm auch jetzt noch nicht angehören durfte, ſo wollte ſie ihn doch tröſten und auf die Vorſehung Gottes hin⸗ weiſen, der Alles zum Beſten wenden könne. Der Vater hatte ihr zwar befohlen, nicht zu ihm zu gehen, aber in dieſem einen Falle glaubte ſie das Gebot übertreten zu dürfen, galt es doch die Trennung von dem Geliebten. 8 Aber ſie ſah ein, daß ſie hierzu die Abend⸗ ſtunden benützen mußte, um von Niemanden auf ihrem Gange zu Walther geſehen zu werden. Sie begann daher damit, die Garderobe für die Abreiſe zu ordnen, welche Beſchäftigung auch die Zeit bis zum Dunkelwerden vollſtändig ausfüllte; und als endlich der erwartete Augenblick kam, hüllte ſie ſich in ein leichtes Tuch und eilte ungeſehen hinüber nach dem Inſpektorshauſe. Vor der nur angelehnten Hausthür angelangt, ſah ſie nach den Fenſtern des erſten Stockwerkes hinauf. Zu ihrer Verwunderung gewahrte ſie, daß keines der Fenſter erleuchtet war. Sollte Walther ſchon zur Ruhe gegangen ſein? Das konnte ſie nicht glauben, denn wie oft sch f ſeiner Krankheit abends heimlich an dieſen Ort ge⸗ eilt, um nur einen ſehnſüchtigen Blick auf die Fenſtern zu werfen, hinter welchen der Geliebte litt und lebte. Auf jeden Fall aber hoffte ſie die alte Elsbeth noch wach zu treffen und ſie wollte ſich vorerſt nach deren Zimmer begeben. Sie trat in die Hausthür und eilte leiſe die Stiege hinauf. Das erſte gleich an der Treppe liegende Ge⸗ mach lag weit geöffnet vor ihr und geſpenſtiſch ſandte der Mond ſein helles Licht in den leeren Raum. Doch nicht dieſes Zimmer allein, auch ein zweites und drittes Gemach, ſelbſt das Wohnzimmer Walthers fand ſie in derſelben Weiſe vor. Was war das? war Walther ſchon fort? Sie vermochte den Gedanken kaum zu erfaſſen. Selma ging zu der Thür der alten Elsbeth: auch dieſe war un⸗ verſchloſſen, aber wenigſtens noch wohnlich einge⸗ richtet, die alte ſelbſt aber fand ſie nicht. Was ſollte ſie von dieſer unerwarteten Erſcheinung halten? Indem ſie noch darüber nachdachte, hörte ſie bei der unten geöffneten Hausthür einige Perſonen mit einander ſprechen, die dicht vor dem Hauſe ſtehen blieben. Selma glaubte ſchon, daß man ſie hier über⸗ raſchen könne; deshalb eilte ſie wieder einige Stufen hinab und ſuchte ſich da zu verbergen, wo gerade in Treppengang ein kleiner Einſchnitt eingebaut