Lebens war die Halbheit. Ein milder menſchen⸗ freundlicher Fürſt, ſtrebte er nach dem Ruhme eines Reform⸗Zaren und führte das einzige unvergängliche Werk ſeines Lebens, die Emancipation der Bauern, durch. Schön, verheißungsvoll war dieſer Anfang, aber er bleb ein Anfang; Alexander hatte nicht den Muth, nach den Leibern ſeiner Unterthanen auch ihre Geiſter zu befreien, nicht den Muth, dem Volke dem er die nothdürftigſten Menſchenrechte geſchenkt hatte, auch die Bürgerrechte zu ertheilen. Hätte ſich der Zar zu dieſem Entſchluſſe aufgeſchwungen, nie würde ſich die Verzweiflung ſo tief in das Herz des ruſſiſchen Volkes eingefreſſen haben, niemals wäre in der durch Knechtſchaft vergifteten Volks⸗ Seele der moraliſche Krebsſchaden des Nihilismus ſo wild und alle guten Keime zerſtörend emporge⸗ wuchert. Der konſtutionelle Alexander ſäße vielleicht noch heute, vom Jubel einer glücklichen und dank⸗ baren Nation umrauſcht, auf ſeinem Throne. Auch nach dem Ruhme eines Friedens⸗Zaren hat Alexan⸗ der zwanzig Jahre lang gegeizt, und auch dieſen Ruhm konnte er nicht ganz und fleckenlos behaupten; er ließ ſich wieder ſeinen Willen in die dritte Rolle ſeines Lebens, in diejenige eines kriegeriſchen Na⸗ tionol⸗Zaren, hieneindrängen. Der Kaiſer zog das Schwert, um für Sebaſtapol und Inkermann Rache zu nehmen; er wollte den idealen Traum der ſla⸗ biſchen Völkerfamilie verwirklichen, wollte den Zug nach dem herrlichen Byzanz — dem Zarigrad der Moskow tter — vollbringen; bis unter die Mauern von Konſtantinopel drangen ſeine Legionen unter heroiſchen Opfern vorwärts, aber auch hier wurde der Kaiſer von der Kraft des Entſchluſſes verlaſſen, er beugte ſich vor dem Diktate Europas und er⸗ theilte ſeinem Heere den Befehl zum Rückzug — die ewige Halbheit brachte Rußland um alle Früchte ſeiner Anſtrengungen, verurtheilte den Slavismus zu einer Demüthigung, wie ſie einer ſiegreichen Großmacht noch niemals auferlegt wurde. Petersburg, den 15. März. Bei der geſtrigen Huldigung hielt der Kaiſer eine warme Anſprache, worin er für die ſeinem verſchiedenen Vater bewieſene Treue dankte und Alle aufforderte, dem Entſchlafenen ihre Liebe zu bewahren und ihm gleiche Treue zu halten. Den einzelnen empfangenen Perſonen gegenüber ſagte der Kaiſer, er beſteige den Thron unter peinlichen Umſtänden, ſehe aber ver⸗ trauensvoll der ehrlichen Mitwirkung aller Patrioten entgegen und werde ſich bemühen, die Liebe von ganz Rußland in eben ſolchem Maße zu verdienen, wie ſie ſein verſtorbener Vater beſeſſen habe. Verſchiedenes. 5 — Aus Baden den 15 März. Ein Ar⸗ tikel des „Schwäb. Merkur“ feiert die Verbindung unſerer Fürſtentochter mit dem ſchwediſchen Kron⸗ prinzen in äußerſt ſchmeichelhafter Weiſe, macht da⸗ J leben nicht verloren gegangen. rauf aufmekſam, daß Prinzeſſin Viktoria ein Enkel⸗ kind des früheren ſchwediſchen Königshauſes der Waſa iſt, indem die Gemahlin des letzten Königs dieſes Stammes eine badiſche, Sofia aber, die Ge⸗ mahlin des Großherzogs Leopold, eine ſchwediſche Prinzeſſin war, und meint, dieſe Familienverbindung könnte auch eine wichtige Freundſchaft der ſchwedi⸗ ſchen mit der deutſchen zur Folge haben, die bei dem Beſuche des Großherzogs Friedrich beim Reichs- kanzler wohl nicht unerwähnt geblieben. — Aus dem Bezirke Buchen, den 13. März. Die Auswanderungsluſt ſcheint immer größeren Umfang annehmen zu wollen. So wandern im Laufe dieſes Monats aus allerdings ſtark bevölkerten Gemeinde Hettingen gegen 60 Perſonen nach Amerika aus, meiſtens Familien, dabei eine ſolche mit 9 Köpfen. Da dieſe Auswanderer zum Theile unbe⸗ mittelt ſind, ſo übernimmt, wie uns von glaub⸗ würdiger Seite mitgetheilt wurde, die Gemeindekaſſe eine Auslage von etwa 7000 Mark. — In der Buchdruckerei von Andr. Perthes in Gotha wurde ein Mädchen, das beauftragt war, eine defecte Verbindungsſchnur in der zum Stillſtond gebrachten Maſchine wieder feſtzunähen, durch die aus Verſehen wieder in Bewegung geſetzte Maſchine jämmerlich zerquetſcht und ſofort getödet. — Wackere That. Die Arbeiter einer Fabrik in Gent (Belgien), welche wegen Rückgangs des Geſchäfts bankerott erklärt worden, haben be⸗ antragt, daß die Fabrik wieder eröffnet und unter dem bisherigen Fabrikherrn fortgeführt werde, wobei ſie ſich bereit erklärten, die Gläubiger zu entſchädigen, indem ſie jeden Tag eine Stunde für dieſelben arbeiten. Es ſind der Arbeiter 750, und der Be⸗ trag ihres Lohnes für dieſe eine Stunde würde ſich in 300 Tagen auf 33,750 Fr. belaufen. — Dampfer⸗Zuſammenſtoß. Wie dem Frdbl. aus Hamburg geſchrieben wird, ereignete ſich am 8. ds. Ms., Morgens, auf der Niederelbe ein ſchwerer Unfall. Die beiden Dampfer Veſta, nach England, und Meſſina, nach dem Mittelmeer beſtimmt, ſtießen durch eine plötzliche Rückwärtsbewegung des erſteren Schiffes mit einer ſolchen Heftigkeit an einander, daß beide die Kajüten des Oberdecks, Kartenhaus und Kommandobrücke verloren. Die Meſſina hatte ſofort 4 Fuß Waſſer im Raume, konnte aber nach den Quais zurückgeſchleppt werden. Die auf dem Deck befindlichen 4 Lokomotiven aus der ſächſiſchen Maſchinenfabrik in Chemnitz kamen ins Rollen und richteten noch bedeutende Verheerung an. Die aus 10,000 Sack Zucker beſtehende Ladung der Veſta hat zum Theil gelitten. Glücklicherweiſe ſind Menſchen⸗ Die Veſta, welche das Unheil anrichtete, hatte in 8 Wochen drei Zuſammenſtöße und verlor geſtern auch einen ihrer Offiziere, welcher durch einen Fehltritt über Bord ſtürzte und ertrank. — Orkanartiger Sturm in Wien. Sei de 9. März Nachts tobt durch die Straßen Wiens en Orkan, wie er ſich ſeit Jahren nicht entfeſſelt, Rieſenkraft ſchleuderte er Dächer und Kamine auf die Straßen, wirbelte Ziegel und Bohlen durch die Luft, hob Firmatafeln und Schilder aus, dog Hütten, Wagen und Verkaufsſtände um, erfaßte die ängſtlich über die Straße Schreitenden, drehle e im Kreiſe, warf ſie unſanft zu Boden und brach ihnen wohl Arme und Beine. Ja er drang di Kamine und Dachluken in die Hänſer rüttelte gz Thüren und Fenſtern, ächzte und ſtöhnte in geg Oefen und brauſte durch die Einfahrten, verlöſcht die Flammen der Gaslaternen und der Wagenlampeh und noch immer hat ſich ſeine Wuth nicht geleg, und noch immer ſucht er neue Objekte für ei verheerende Gewalt. Eine ganze Reihe zum Theile ſchwerer Unglücksfälle kommt auf Rechnung dez Sturmes und wird den 10. März zu einem keau⸗ rigen Gedenktage in mancher Familie machen. Der ſchrecklichſte Unglücksfall ereignete ſich um die Mittags⸗ ſtunde des genannten Tages an der Kreuzung des Schotten⸗ und Franzensringes. Das achlfährige Schulmädchen Marie Scheibert wurde an der hof, . 1078. Nat n ve gag nun iu fie , Einläuten une 15 N ſenst ge und Tes. ſelgung det 105 949 b In 9 Uhr 5 g Ur Vierb. ig⸗Veteins un . wir dies bezeichneten Stelle von einem heftigen Windſtoße erfaßt und unter die Pferde eines vom Ring nac dem Kai verkehrenden Tramway Waggons geſchleuder, Der Kutſcher vermochte trotz aller Mühe den Waggon nicht mehr zum Stillſtande zu bringen. Die Räder gingen dem armen Kinde über den Kopf und zer trümmerten ihm die Hirnſchale. Ein ſchnell herbel⸗ gerufener Arzt leiſtete dem verunglückten Kinde die erſte Hilfe, worauf es ſchleunigſt in das allgemeine Krankenhaus übertragen wurde. Ausſicht auf Rettung iſt leider nicht vorhanden. An der nämlichen Stelle wurde bald nachher der dort poſtirte Sicherheits wachmann Eugen v. Chriſogono vom Sturme zu Boden geworfen, wodurch er am Kopfe eine bedenk⸗ liche Verletzung erlitt und gleichfalls in das allge⸗ meine Krankenhaus gebracht werden mußte., Det durch den Sturm verurſachte Schaden läßt ſich zwar noch nicht überblicken, dürfte aber jedenfalls eine ſeht bedeutende Ziffer repräſentiren. — Der ermordete Kaiſer von Rußland war geboren 1818, Kaiſer ſeit 2. März 1855. Der jetzige Kaiſer Alexander iſt geboren am 10, März 1845. — In der Karlsr. Ztg. zeigt Geheimer Refe⸗ rendär G. v. Stöſſer an, daß ſein Sohn Karl, dienſtälteſter Seekadett an Bord des Schiffes Hertha auf der Fahrt von Kapſtadt nach Melbourne einem Lungenſchlag erlag. — In Mannheim iſt dieſer Tage eine Ver⸗ kaufsſtelle der Straßburger Tabak öffnet worden. 5 „Die Feſtung muß belagert werden, und da wird Geduld, Liſt und Ausdauer nöthig ſein,“ ſagte er ſich ſelbſt. Zwei Tage nachher kam er wieder und dann immer regelmäßig die Woche zwei⸗ bis dreimal. Beim Weggehen — er blieb nie, bis Rheinfeld aus dem Dienſt kam — ſchärfte er Thereſen ſtets ein, ihrem Manne ja nichts von ſeinem Beſuche zu ſagen. „Zu dieſer Bitte bewegt mich etwas ganz Beſonderes,“ ſetzte er einmal hinzu, „und dann iſt auch Kunos ſtille Freude vorbei, wenn meine Beſuche nicht mehr den Schleier geheimniß⸗ voller Verſchwiegenheit deckt.“ Mißtrauen war, wie bemerkt, Thereſen fern, ſie war harmlos genug, ſich von den Machinationen des Aſseſſors bethören zu laſſen und ſagte ihrem Manne auch ferner nichts von dem Beſuche ſeines Freundes. Dalberg war ja auch in ſeinen Reden ſtets anſtändig, ohne ſich das Geringſte zu Schulden kommen zu laſſen. Wo ſollte ſie alſo Grund zu irgend welchem Argwohn haben. Er ſprach von Theater, Kunſt, Stadtneuigleiten und dergleichen. Und doch, ein unbefangener Beobachter würde bald aus Dalbergs Unterhaltung ſeine Abſicht erkannt haben; denn Dalberg ließ es in ſeiner gewandten Erzählungsweiſe nicht fehlen an ſcherzhaften, aber natürlich decenten Anſpielungen. Als er an dem bewußten Nachmittag kurz vor 4 Uhr wieder eintrat, war Thereſe inp die Lectüre ines Romans bertieft den Dalberg ihr ein Tage vorher mitgebracht hatte. Es war ein Opus in dem von Wilhelm Hauff ſo glänzend bekämpften Stile des ſeligen Clauren. Thereſe war von der Lectüre ſichtlich erregt, was dem Aſſeſſor nicht entging. „Heute oder nie!“ ſagte er ſich. 5 „Ich will nicht ſtören, gnädige Frau; wenn Sie weiter leſen wollen, ſo werde ich mich mit Ihrer gütigen Erlaubniß ſofort wieder empfehlen,“ ſprach er, ſich höflich verbeugend. „Nein, bitte, bleiben Sie, Herr von Dalberg. Sie ſtören mich durchaus nicht. Ich bin eben zu einem Kapitelſchluſſe angelangt und werde meine Lektüre morgen fortſetzen. Der Roman iſt ſehr ſpannend geſchrieben, nur befremdet mich der Stil bisweilen. Auch ſcheint mir manches zu phantaſtiſch, ich meine, der Dichter müßte ſich mehr an das wirkliche Leben halten,“ anwortete Thereſe, indem ſie das Buch bei Seite legte. „Sie haben Recht, gnädige Frau,“ meinte der Aſſeſſor verbindlich, „ein Dichter muß ſich ſtets nach den Regeln der Wahrſcheinlichkeit richten, er muß das Leben ſchildern, wie es iſt, er darf uns keine Situationen vorführen, die nicht dem wirklichen Leben entſprechen; er muß bei der Wahrheit bleiben, wenn ſeine dichteriſchen Gebilde uns voll befriedigen follen. Nur fragt es ſich, wo füngt die Wahrheit an und wo hört ſie auf? Das menſchliche Leben iſt ſehr wechſelvoll und mannigfaltig, und ich meine, je mehr Jemand Gelegenheit gehabt, das Leben in ſeiner bunten Mannigfaltigkeit kennen zu lernen, deſto mehr wird er geneigt ſein, die Grenzen der dichteriſchen Wahrheit möglichſt weit zu ziehen. Wenn Sie daher geſtatten, gnädige Frau, daß ich Ihnen widerſpreche, ſo möchte ich behaupten, daß manche Situationen, die Ihnen in diefem Romane als phantaſtiſch und unwahr erſchienen ſein mogen, dennoch durchaus der Wirklichkeit entſprechen.“ „Ich habe Sie nicht ganz verſtanden, Het Aſſeſſor,“ entgegnete Thereſe, „aber ich meine, ein Dichter wäre dann wahr, wenn er nie unſerer Ver⸗ nunft wiederſpricht.“ „Wenn dem ſo wäre, ſo müßten alle Menſchen ſtets der Vernunft gemäß handeln und reden, was doch gewiß nicht der Fall iſt; denn die meiſten Menſchen ſind melſt in ihren Gedanken, Workeh und Werken unvernünftig.“ „Demnach würde alſo das Unvernünfkige der beſte Vorwurf für den Dichter ſein; ſo meinen Sie doch?“ warf Thereſe ſchlagfertig ein. „Das nicht, gnädige Frau,“ erwiderte Dalberg, „der Dichter muß Vernunft und Unvernunft ſo miſchen, wie dies thatſächlich im menſchlichen Leben der Fall iſt. Wenn der Dichter uns nur bernünf' tige Menſchen vorführen wollte, ſo würde er weder komiſche noch auch tragiſche Situationen he tellen können 155 55 (Fortſetzung ſolgt.) — — und Verlag von Wucherer Mollet Redackſon, Druck 0 een, 4 17 05 mhnarſchaft, an 1 An laden hiermi . ls 84. Gebt am 2 „5 8 Vormittags her aus Galuskirche ends 8 Al In Ahiche Beth er 15 dend des Mn an 2. Me Jackel⸗ A Sint. Zur A bab 8 Uhr a R bug die Sta Gene aß dendigung de uſtaliſche Nealag den! denn ah bun da fesch) 0 Abend iu ſnlllches Er 0 U dm Feſt ue Fre a ametaden ö Uinstag. dhe zn S git des deut Aenbutg den 1 Hiermit ma⸗ 5 t mac Sta wp.