. Allgemeiner Jenzeiger für La denburg und Schriesheim. Poſtproviſton. Erscheint Mittwoch und Samstag und koſtet viertelſährlich 1 Ia. 20 Pf. mit iäuftrirtem Anterhaltungsblatt 1 Mk. 70 Pf. excl Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die ein⸗ 50 . Petitzeile oder deren Raum mit f 10 Pf., Local⸗Anzeigen mit 6 Pf., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen entſprechende — Rabattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirth Franz Carqus zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inferate an. — Alle Annoncen⸗Expeditionen f nehmen Inſerate für uns an. Nr. 93. Samſtag, den 20. November 1880. upfeh nz. . g 1 5 0 9 65 Deutſchland. erſt das Problem und die Löſung iſt noch in tiefes Verſchiedenes. 8 5 5 0 Dunkel gehüllt. In einem „Modernes Völkerleben“ betitelten — Aus Baden. In Bödigheim wurde am Aufſatze der „N. Z.“ wird in Bezug auf die Frage der Erwerbung von Colonieen Seitens des Deutſchen Reiches geſagt: In Deutſchland kann man bereits berechnen, daß wenn die Vermehrung der Bevölkerung ſo wie bisher fortſchreitet, nach ſo und ſo viel oder vielmehr nach wenigen Jahrzehnten ihre Ernährung im Lande ſchwieriger und ſchwieriger ſein wird. Das deutſche Volk gehört durchaus zu denjenigen, die aus durchſchlagenden Gründen nicht darauf ber⸗ zichten können, einen Theil ihres Nachwuchſes aus der Heimath zu entlaſſen. Auswanderung iſt hier daher eine Nothwendigkeit oder wird es werden und eine gut geregelte würde nichts von einem Uebel an ſich haben, ſondern zu einer Wohlthat für Deutſch⸗ land ſelbſt gemacht werden können. In Deutſchland iſt der Volksinſtinkt der Weisheit der Staatsmänner lang vorangeeilt. Es klingt jetzt humoriſtiſch, daß man im Jahre 1848 und noch zu Nationalvereins⸗ zeiten eine Flotte auf Subſcription bauen wollte. Zu Grunde lag dieſen Beſtrebungen das tiefberech⸗ tigte Geſühl, daß Deutſchland von der Herrſchaft über die Erde zu ſeinem Schaden und ſeiner Er⸗ niedrigung ausgeſchloſſen iſt. Findet die thatkräftige Bevölkerung in Deutſchland nicht mehr den Raum zur vollen Entfaltung, ſo wird es nur ein Mittel geben, ein uraltes: man muß die Erde im Ganzen ins Auge faſſen und ſich Wohnplätze darauf ſuchen. Es findet bis jetzt ſogar in der größten Nähe des bald übervölkerten Europa eine erſchrecklich ſchlechte indt R. unter die Völker ſtatt; und in den Fernen iſt noch viel mehr des nicht oder wenig benutzten Raumes Benutzung des Erdenraums, eine ſchlechte Vertheilung Bezugnehmend auf obigen Artikel, werden wir im Laufe der Zeit ausführlichen Bericht über das Ziel der Colonieſirung der deutſchen Auswanderung ertheilen. D. R. Glückſtadt den 16. Nov. Ein ſchwerer Sturm aus Südoſt wüthete ununterbrochen; derſelbe wurde von heftigem Regen begleitet. Die Marſchen ſtehen meilenweit unter Waſſer. Ausland. Agram den 17. Nov. Das „Berliner Tage⸗ blatt“ meldet von hier: In vergangener Nacht er⸗ folgten zwiſchen 12 bis 5 Uhr acht heftige Erdſtöße. Faſt jeder Erdſtoß wurde durch unheimliches Brauſen angekündigt. Vom Gebirge waren heftige Deto⸗ nationen vernehmbar. Jeden Augenblick befürchtete man das Aeußerſte. Die vergangene Nacht war am furchtbarſten. Die Bevölkerung war außer Rand und Band; Frauen wälzten ſich entkleidet am Boden, ſchrien bis zur Erſchöpfung, andere geriethen in Wein⸗ oder Lachkrämpfe, wieder andere wollten mit ihren Kindern, welche einen jammervollen Anblick bieten, zum Fenſter hinausſpringen. Alles dem Wahnſinn nahe, Alles verließ die Wohnhäuſer, dieſe ſind leer, Hausthore weit offen. Oeffentliche Plätze überfüllt. Es war Maſſenflucht. London, den 16. Nov. Das „Reuter'ſche Bureau“ meldet aus Konſtantinopel: Derwiſch Paſcha telegraphirte, die Umzingelung Dulcignos ſei vollendet und keinem Bewaffneten ſei der Eintritt geſtattet. Er werde Jeden, welcher den Eintritt erzwingen wolle, erſchießen laſſen. Newyork den 16. Nov. Vergangene Nacht brannte das Irrenhaus St. Peter in Minneſota ab. Dreißig bis vierzig Geiſteskranke kamen durch das Feuer oder durch die hochgeſtiegene Kälte um. Dublin den 16. Nov. Eine amtliche Be⸗ kanntmachung erhöht die Belohnung für die Ver⸗ haftung des Mörders des Lord Monuntmorris von 1000 auf 1500 Pf. ſtrl. Dienſtag während der Orgelprüfung, die in Gegen⸗ wart des Orgelbauers, als neu erſtelltem Werke, in dortiger Kirche vorgenommen wurde, die, für den Baumeiſter ausgeworfene und ausbedungene Summe von etwa 9000 Mark in der Wohnung des Kirchen⸗ fondsrechners — mittelſt Einbruchs in die Caſſe — durch zur Zeit unermittelte Individuen geſtohlen. Man hat die Vermuthung auf den oder die Thäter, doch bis jetzt haben die Nachforſchungen zu keinem Ergebniß geführt. — Am 14. d. wurde auf den ſehr pflichttreuen Feldhüter Sch. in Wieſenthal, Amt Bruchſal, während eines Dienſtganges geſchoſſen. Der Thäter iſt z. Z. noch unbekannt. Der Schuß drang in den linken Unterſchenkel und zerſplitterte den Knochen. Der Zuſtand des Sch. iſt bedenklich und die Wunde lebensgefährlich. Sch. hat eine zahlreiche Familie. — Bruchſal den 16. Nov. Das geſtern Abend noch mit mehr oder weniger Beſtimmtheit colportirte Gerücht, daß der wegen Ermordung ſeiner beiden Kinder zum Tode verurtheilte Reiff im letzten Augenblick werde begnadigt werden, war grundlos: das Urtheil iſt heute früh 8 Uhr ohne jegliche Ab⸗ weichung von der urſprünglichen Anordnung an dem Delinquenten vollſtreckt worden. — Von der heut⸗ zutage noch immer vielfach beliebten detaillirten Ausmalung des tiefernſten und traurigen Vorgangs Umgang nehmend, beſchränken wir uns auf die Mit⸗ theilung, daß Reiff, nachdem er ſchon bei Eröffnung des Urtheils eine auffallende Ruhe und bis heute Morgen dem geiſtlichen Zuſpruch des Herrn Pfarrer Spengler gegenüber eine unverkennbar tiefe Reue gezeigt hatte, auch bei der Abführung zur Richtſtätte ſeine Faſſung keinen Augenblick verlor, und Alles über ſich ergehen ließ, ohne daß es irgend der An⸗ wendung von Gewalt dedurft hätte. Das ganze Verhalten des Delinquenten, der ohne einen Blick der Neugierde, weder auf die Zuſchauer noch auf das Schaffot geworfen zu haben, mit voller Ge⸗ 50 vorhanden. Die Menſchheit iſt ſeit dem Anbeginn der Geſchichte durch Beſetzung der Räume in ihrer Entwickelung fortgeſchritten; ja, das iſt die Geſchichte, I * daß Länder zum erſten oder zu wiederholten Malen e der Geſittung unterworfen werden. Auch für die 1 Nationen giebt es keinen Stillſtand; ſie gehen rück⸗ a würts oder vorwärts. Aber freilich ſehen wir nur —̊ 6 Feuilleton. N, oe — 0 101 Jacob Stainer, der tyroler Geigenbauer in Cremona. Geeſchichtliche Novelle von Fr. Clemens. (Schluß.) „Giebſt Du auch Acht, Wenzel, auf Deine ih. Schafe,“ ruft ſie dem Knaben zu, „Du weißt, daß 7. der Nachbar einen Zahn auf uns hat und gelegenk⸗ sel lich auf einige abgenagte Gerſtenhalme ein Sünden⸗ Du ſollteſt überhaupt Der Ohm will geld uns abzuzwacken weiß. die Schafe nun zu Stalle treiben. a 1 V noch zum Kloſter, um eine neue Geige, die er eben 85 vollendet hat, abzuliefern, und da er in dieſen Tagen —— ſo ſeltſam wirr und wunderlich ſich gebahrt, ſo ſollſt a Du ihn begleiten, ſei es auch nur von ferne, ohne 7 daß er es merkt; Du kennſt das ja.“ 5 „Ich kenn' es, ja! Das thu' ich, aber mir 12 wird doch oft gar angſt und weh', wenn ich ſehe, 2 5 daß er ſo pudelnärriſch⸗tolle Männchen macht. Sieh 2 r einmal dort oben, wie er wieder winkt!“ 85 „Das verſtehſt Du noch nicht, mein Junge! Schau! heute iſt es wieder arg! Er winkt allezeit nach Süden; denn, weißt Du, dort liegt Italien.“ „Ja, das weiß ich; was iſt ihm da paſſirt?“ „Ach, was iſt ihm da paſſirt! böſe Geſchichten find ihm paſſirt. In Cremona hat er eine Weile gelebt und das Geigenmachen erlernt. Da hat er ſich eine Frau genommen, Chiara hat ſie geheißen, ſoll gar ein wunderſchönes Weib geweſen ſein; denn er trägt ihr Bild noch allezeit auf ſeiner Bruſt. Die aber hat ein böſer Geiſt gezwickt, daß ſie um nichts ihren braven Mann verlaſſen hat und Knall und Fall mit einem fremden Schlingel in alle Welt gereiſt und Deinem guten Ohm entflohen iſt. Das hat ihn nun natürlich gar hart gekränkt, er hat ſich darüber etwas in den Kopf geſetzt und gute Leute haben ihn deßhalb hierher, in ſeine Heimath ge⸗ bracht. Hier hat er einigermaßen Troſt und Ruhe, auch Luſt zur Arbeit wieder gefunden. Es iſt ſchon manches liebes Jahr ſeitdem vergangen; auch hat er in der Zeit eine Menge neuer Geigen gefertigt, die nimmt ihm dann der Prior im Kloſter gern ab, weil er nur einen ſündlich ſchlechten Preis dafür zahlt und beim Wiederverkauf ein enormes Geld einſäckelt. Dabei erhält den armen bekümmerten Oheim nur allein die Hoffnung aufrecht, ſein ent⸗ laufenes Weib, das er noch immer liebt, werde endlich ihre Schuld bereuen und zu ihm zurückkehren. Sieh, das bedeutet das Grün an ſeiner Bruſt und jenes Winken auf der Alm. So, nun geh' und treibe die Schafe heim.“ Der Knabe, mitleidig und gar ernſt durch die Erzählung ſeiner Mutter geworden, that, was ihm geheißen, indem er aber im Gehen noch immer an ſeinem Stecken ſchnitzelte. Sein Weg führte ihn einen Pfad entlang, der eine kurze Strecke auch nach der Alm führte. Plötzlich ſtand der unglückliche Alte vor ihm und betrachtete ihn, der ebenfalls ſtehen blieb, einige Minuten ſchweigend, dann begann er: O ſieh, ſieh, ſie! Das alte grau gewordene Bild meiner Jugend wird wieder lebendig, wird wieder grün! Hier ſaß ich einſt, nein dort, dort, aber ich ſehe den Pater Felix nicht! Ach er iſt ge⸗ wiß längſt todt, der gute Pater! — He! Wenzel! was ſchnitzelſt Du da? Laß ſehen! Was? Ein Stecken? Pfui! Pfuk! Betrügerei! Willſt Du viel⸗ leicht die Schafe ſcheckig machen? Eine ſchlechte Kunſt das. Hier ſaß einſtmals der kleine Jacob und ſchnitzelte eine Geige; das waren alte ſchoͤne Zeiten.