8 — 8 Poſtproviſton. f nehmen Inſerate für uns an. Erſcheint Mittwoch und Samstag und koſtet vierteljährlich! WM. 20 Pf. mit illuſtrirtem Anterhaktungsblatt 1 Mk. 70 Vf. exel. f Inſerate, welche am Tage vor dem Erſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die ein⸗ paltige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Local⸗ Anzeigen mit 6 Pf., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen entſprechende Rabattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirth Franz Carqus zum „deutſchen Kaiſer“ jederzeit Inferate an. — Alle Annoncen⸗Expeditionen Nr. 79. Samſtag, den 2. Oktober 1880. Vor Dulcigno. Noch immer meldet der Telegraph keine Aktion er ſtolzen Armada des vereinigten Europa. Das große Schauſpiel ſcheint vertagt zu ſein, ſei es, daß die Schauſpieler, lauter Gäſte vor einem fremden Publikum, ſich in ihren Rollen noch nicht recht ſicher fühlen oder, was bei den Ränken hinter den diplo⸗ matiſchen Kouliſſen für wahrſcheinlich gilt, daß ſie unter ſich nicht einig ſind, on welchem Tage das Drama oder Spektakelſtück in Scene gehen ſoll, ja, ol es nicht überhaupt zu verſchieben ſei. Vielleicht haben die Engländer den Sabbath heiligen wollen und die neue Woche bringt doch noch die Schreck⸗ ſchüſſe für die Türkei, welche das kleine Duleigno FBerſtören. l. i Die Duleignofrage würde nicht ſo viel Staub 05 aufwirbeln, wenn die Sache damit abgemacht wäre, inge daß dieſes armſelige Neſt eingeäſchert wird und die Montenegriner daran Beſitz ergreifen. Auch der weitere Feld⸗ oder Seezug gegen die Albaneſen kann kein hohes Intereſſe beanſpruchen, denn falls den Montenegrinern nicht militäriſche Hilfe zu Theil wird, könnte ſich bei dem Kampfe der beiden Völker die Geſchichte von den beiden Löwen ereignen, die in den Wald ſpazieren gingen, ſo wuthentbrannt, daß man nur noch ihre Wedel wiederfand. Der Flotte ſcheinen dieſe Verhältniſſe ſo gleichgültig, daß man an Bord des franzöſiſchen Admiralſchiffes ruhig einen Ball arrangirt hat, während Europa in anderer Wieiſe erwartete, der Tanz werde losgehen. Die eigentliche Bedeutung liegt auf dem völkerrechtlichen Gebiete. Kann die Türkei Dulcigno nicht friedlich übergeben, ſtellt ſie neue annehmbare Bedingungen oder kämpft nicht gegen die Albaueſen, wird alſo Europa gezwungen, den Montenegrinern mit Waffengewalt zu helfen, ſo löſt der erſte Schuß den Berliner Vertrag auf. Europa führt keine Exekution aus gegen Albanien, das gar kein anerkannter Staat iſt, ſondern gegen die Türkei. Der Krieg gegen die Pforte iſt prokla⸗ mirt! Was dies aber bedeutet in einem Augenblicke, wo Griechenland und Bulgarien mobiliſirt haben, wo Oeſterreich u. Rußland ihres Stichwortes harren, um auf der Balkanhalbinſel in Aktion zu treten, das dürfte der Pforte in wenigen Tagen mehr ſpaniſch als europäiſch vorkommen. Die Kriegsſcene von Dulcigno iſt ein Vorſpiel zum großen orien⸗ taliſchen Drama, deſſen Regiſſeur vorausſichtlich Fürſt Bismark ſein dürfte. Aber vorläufig — iſt der entſcheidende Schuß noch nicht gefallen! Deutſchland. Berlin den 29. Sept. Der Kaiſer und die Kaiſerin werden am 14. Oktober mit den kronprinz⸗ lichen Herrſchaften, welche Tags zuvor noch die Düſſeldorfer Ausſtellung beſuchen, in Brühl zu⸗ ſammentreffen, um am 15. Oktober mit ihnen der Domweihe in Köln beizuwohnen. Von dort lehren die kronprinzl. Herrſchaften nicht nach dem neuen Palais bei Potsdam zurück, ſondern begeben ſich zu kurzem Herbſtaufenthalt nach Wiesbaden. Nach der Rückkehr von Wiesbaden wird die ktonprinzliche Familie ihren Winteraufenthalt bis auf Weiteres in Berlin nehmen. Der „Nat.⸗Ztg.“ wird aus Paris telegraphirt: Es beſtätigt ſich, daß der Sultan ſich telegraphiſch an den Kaiſer Wilhelm um deſſen Intervention zur Verhinderung der Aktion gegen Dulcigno gewendet hat. Der Kaiſer hat mit dem Ausdruck des Bedauerns ablehnend geantwortet unter Betonung der Solidarität der Mächte und der Noth⸗ wendigkeit, den Berliner Vertrag zur Ausführung zu bringen. Kiel den 29. Septbr. Heute Abend 8 Uhr fand an Bord des Prinz Adalbert ein Feſtmahl ſtatt. Die kronprinzlichen Herrſchaften übernachten in Kiel und kehren morgen nach Berlin zurück. Osnabrück den 28. Septbr. Die hieſige Handelskammer hat beim Handelsminiſterium eine Beſchwerde gegen das der privaten Tabakinduſtrie Concurrenz bereitende Verfahren der Straßburger Tabatmanufaktur eingereicht. 5 28 . Ausland f London den 27. Sept. Ein Telegramm aus Galway meldet, Lord Mountmorres, irischer Großgrundbeſitzer, ſei ermordet worden; derſelbe habe geſtern Streit mit ſeinen Zinsleuten gebabt. — Ueber die Ermordung des Lord Mount⸗ morres wird gemeldet: Während der Lord im eigenen Wagen ſeiner Beſitzung Clanbur (Grafſchaft Gal⸗ way) zufuhr, wurde er von ſechs Kugeln, deren Mehrzahl den Kopf traf hingeſtreckt. Der Ver⸗ ſtorbene ſtand ſchon ſeit längerer Zeit mit ſeinen Pächtern in Prozeß und wurde bis ganz vor kurzem beſtändig von einer Abtheilung Polizei bewacht. Er batte unmittelbar vor ſeiner Exmordung einer Ver⸗ ſammlung von Friedensrichtern beigewohnt und einen Beſchluß unterſtützt, der die Regierung zur Anwendung von Zwangsmaßregeln auffordert. London den 29. Sept. Der Staatsſekretär des Auswärtigen Granville, welcher bei der Königin in Balmoral war und dort eine Woche bleiben ſollte, iſt nach London abgereist, wohin er wegen dringen⸗ der Staatsgeſchäfte berufen wurde. London den 30. Septbr. Einer Meldung der Times aus Raguſa den 29. dss. zufolge iſt Duleigno auf Befehl der albaneſiſchen Liga niedergebrannt worden. Konſtantinopel den 29. Septbr. Die Botſchafter der Großmächte haben am 26. ds. gegen das Verhalten Riza Paſcha's in Duleigno bei der Pforde Proteſt eingelegt. Der Sultan erſuchte darauf die Botſchafter um Bewilligung einer kurzen Friſt und gleichzeitig um Zurücknahme des Proteſtes. Soweit bekannt, wurde dieſen Erſuchen bisher nicht entſprochen. 355500 Verſchiedenes. 8 — Ladenburg den 30. Septbr. Bei der am letzten Montag hier ſtattgefundenen Wahl eines Kreis⸗ Abgeordneten für den 3. Wahlbezirk Mann⸗ heim wurde Herr Franz Schotterer Gemeinde⸗ rath von Schriesheim als Solcher und Herr Joſeph der tyroler Geigenbauer in Cremona. Geſchichtliche Novelle von Fr. Clemens. (Fortſetzung). Bei dieſen verlockenden Worten des in ſolchen Dingen geübten gleisneriſchen Roues, regte ſich auch in Stainer jener jugendliche Leichtſinn, ohne den 23 10 die Natur ſo leicht Niemanden über die Grenzmark ndl. . der Kinderjahre hinausführt; in ſeinen Augen blitzte Veh ein verrätheriſches Feuer auf, und wo der Funke ſeinen Urſprung genommen, ging aus der mit be⸗ 1 7 0 ſonderer Haſt hingeworfenen Frage hervor: N Sollte auch Frau Beate wohl hinaus gehen? 3 Nicolo lachte höhniſch in ſich hinein und kitzelte ſein Opfer mit der übrigens wohlbegründeten Be⸗ merkung daß dieſelbe ſicher nicht fehlen werde, ſo⸗ 55 bald ſie erfahren, daß ihr Liebling dort anweſend zachel. ſei. „Uebrigens,“ fügte er hinzu, „giebt es dort ohne Zweifel Frauen und Mädchen von prima Qualitäten eine Legion, und wer Luſt an Erober⸗ ungen findet, wird leichte Mühe haben, ganze Sectionen an ſeinen Siegeswagen zu feſſeln.“ In dieſem Augenblick trat eine Dienerin des Hauſes herein, entbot dem jungen Tyroler einen Gruß der Frau Beate und deren Wunſch, denſelben für einen Augenblick bei ſich zu ſehen. Stainer war überraſcht und die unlängſt mit der Frau vom Hauſe verlebte peinliche Scene trat in dem Augenblick lebhaft warnend vor ſeine Seele, aber in dem Augenblick einen entſcheidenden Ent⸗ ſchluß zu faſſen, war unmöglich. Etwas mußte er ja aber doch erwidern, und ſo half er ſich provi⸗ ſoriſch mit der Gegenfrage aus der Verlegenheit, das Wohl oder Unwohlſein der Gebieterin zu er⸗ kunden. Die Dienerin lächelte verſchmitzt, und ihre Antwort, daß Frau Beate von einem böſen Unfall heimgeſucht worden ſei, paßte ſehr ſchlecht zu ihrem ſatiriſchen Lächeln. Der ſchlaue Nicolo durchſchaute indeß ſofort, daß hier die weiteren Fäden einer Intrigue geſchürzt werden ſollten; Stainer war ſich in ſeiner Ehrlich⸗ keit weniger klar, und da die Dienerin auf eine Auskunft drang und Neigung und Courtoiſie die Bejahung unterſtützten, ſo entließ er die Dienerin mit der Zuſage, alsbald zu erſcheinen.“ Nicolo lachte, indem er die Meinung ausſprach, die übernommenen Mutterpflichten ſcheinen Frau Beate keine Ruhe zu laſſen. Indeſſen beſtätigte er die Angemeſſenheit der ertheilten Antwort und mahnte nur, mit der Zeit zu geizen, damit ihnen der Abend nicht verdorben werden möchte. Von allen Leidenſchaften, die der Menſchheit in den mannigfachſten Nüancen auf die Pilgereiſe durchs Leben mit auf den Weg gegeben werden und zwar mehrentheils, um den Wortlaut ihrer Aufgabe zu entſprechen, d. h., Leiden zu ſchaffen — iſt und bleibt die höchſte Würdenträgerin: — die Liebe, die nur darin allen anderen Leidenſchaften gleicht, daß ſie ebenfalls keine Vernunft annimmt, im Uebrigen aber ſich dadurch von allen ihren Geſchwiſtern unter⸗ ſcheidet, daß ſie die erſt⸗ und älteſtgeborene, und die alleinige legitime, vom Schöpfer hoͤchſteigens einge⸗ führte und berufene iſt, und eben darum auch das Zepter führt, dem ſich alle zur Vernunft geboren