5 Rußland. Petersburg, 6. Nov. Die „Neue Zeit“ beſpricht das gegenwärtige Verhalten Englands und ſagt: England vertheidige die Chriſten in Kleinaſien, um ſich ihrer gegen Rußland zu be⸗ dienen, wie es ſich Gibraltars gegen Spanien be⸗ mäͤchtigte. 5 8 KFaürkei. KRNonſtantinopel, 6. Nov. Midhut Pa⸗ ſcha wurde beauftragt, die in Syrien ausgebrochenen Unruhen um jeden Preis zu unterdrücken. 5 . N zee wc Griechenland. * n Der Konig von Griechenland hat die Kam⸗ en mit einer ſehr muthvollen Rede eröffnet. Im Auslande moquirt man ſich freilich über die Bra⸗ marbaſiaden der Greichen, die unaufhörlich mit den Säbel raſſeln, ohne denſelben je aus der Scheide zu ziehen, in Athen aber findet man großen Ge⸗ fallen an dem unblutigen Spiele und jubelt daher auch dem König zu, als er die Ueberzeugung aus⸗ ſprach, Griechenland werde dereinſt noch groß vor 0 e eee, 0 Belgrad, 7. Nov. Das Amtsblatt ver⸗ öffentlicht den Abſchluß einer prov. Handelskonven⸗ tion mit Belgien auf Grundlage der Meiſtbegün⸗ an 75 8 kz FCC Neueren Berichten aus Valparaiſo zufolge wurde der Huascar von den Chilenen in den dor⸗ tigen Hafen bugſirt; er wird für die chileniſche Marine neu ausgerüſtet und bemannt werden. n don e i eien In Rönigsberg dauert die gedrückte Lage, in welcher Handel und Verkehr ſich befinden, noch immer fort und der dortige Bahnhof iſt ein Bild der Verlaſſenheit. Der Hauptverkehr auf der königl. preußiſchen Oſtbahn beſteht augenblicklich in bedeutenden Kartoffeltransporten, welche von Eng⸗ ländern aufgekauft und nach Stettin dirigirt wer⸗ den. Die Getreidezufuhren aus Rußland bleiben jedoch aus und das wenige Getreide, welches in Königsberg ankommt, rührt aus der Provinz her und trifft mit den ſog. Ausladezügen ein. Berlin. Ueber die kannibaliſche Mißhand⸗ lung eines 11jährigen Knaben von Seiten des Lehrers wird der „Tribüne“ Folgendes gemeldet: Der Sohn eines hieſ. Schuhmachermeiſters F. be⸗ ſuchte eine hieſ. Gemeindeſchule und zeichnete ſich bisher ſo durch Fleiß und gutes Betragen aus, daß er trotz ſeiner Jugend bereits die erſte Claſſe erreicht hatte. Einer der Lehrer, ſein Ordinarius war trotzdem unzufrieden mit dem Knaben und hatte ihn ſchon mehrmals bei ganz kleinen Verſehen auf rohe Weiſe behandelt. Ende vorigen Monats trat nun ein Fall ein, der für den armen Jungen von ſchwerſten Folgen ſein ſollte. Der Lehrer hatte das Claſſenzimmer auf kurze Zeit berlaſſen und bei ſeiner Rückkunft wurde ihm der kleine F. von einigen neidiſchen Mitſchülern wegen Unfug denuncirt. Der Lehrer ergriff nun den Knaben hieb ihn mit einem dicken Rohrſtocke unbarmherzig über den Kopf, Geſicht und Schultern, ſchlug ihn mit der Fauſt zu Boden, und maltrairte den un⸗ glücklichen Jungen außerdem noch mit Jußtritten. Als am andern Morgen der Knabe bleich und lei⸗ dend wiederkam, befahl ihm der unbarmherzige Mentor, ſich eine Stunde lang, ohne ſich zu rühren, auf die Bank zu ſtellen. Der Knabe kehrte nach Hauſe zurück uad verfiel in eine ſchwere Krankheit der er jüngſt erlag. Die Leiche wurde ſofort nach dem Obductionshauſe geſchafft; die Unterſuchung gegen den Lehrer, ſowie das Vernehmen der Mit⸗ ſchüler F. s iſt im Gange. Belgrad. Ein ſeltſames Licht auf die inneren Zuſtände Serbiens wirft die Thatſache, daß innerhalb 3 Stunden Entfernung von hier ein frecher Straßenräuber Namens Despovitſch mit ſeiner aus 50 Spießgeſellen beſtehenden Bande das Land beherrſcht. Die Regierung hat die Ergreifung der Räuber verſucht, aber Despoditſch iſt bisher der Verfolgung entſchlüpft und nur drei ſeiner Leute ſind erſchoſſen worden. Die Unthaten dieſer Bande zeichnen ſich durch große Grauſamkeit aus, indem ſie durch Folterqualen den Bauern das Ge⸗ ſtändniß erpreſſen, wo ſie Geld und Werthſachen verborgen haben. In Folge dieſes Zuſtandes bie⸗ ten ſich den Regierungsbehoͤrden ſogar bei Eintreib⸗ ung der Steuern in jener Gegend große Schwierig⸗ keiten entgegen. b Ein originelles Gaunerſtückchen wird aus Breslau berichtet. Einer bekannten dortigen Sängerin, welche kürzlich nach Brüſſel reiſte, paſ⸗ ſirte auf dem Bahnhofe in Deutz der folgende myſteribſe Vorfall. Nach der Ankunfk des Min⸗ dener Zuges in ſpäter Abendſtunde war auf dem Perron ein ſolches Gedränge entſtanden, daß ſich die erwähnte Dame, welche eine Reiſetaſche in der Hand trug, nur mit Mühe hindurchwinden konnte. Faſt am Ausgange des Perrons, wo die Beleuch⸗ tung eben keine allzuhelle ſein ſoll, fühlte ſie ſich plötzlich umfaßt, und in demſelben Augenblicke be⸗ deckte ein Herr, welcher ſich vor ſie ſtellte, ihr mit einem Taſchentuche das Geſicht, indem er zugleich 1 um die Aufmerkſamkeit der Umſtehenden nicht rege 1 zu machen, ihr vertraulich zurief, daß er ſie nr vor der kalten Zugluft ſchützen wolle. Der Schrett über dieſe Zudringlichkeit lähmte im Augenblick jede Bewegung der Erſchrockenen. Sie vermochte keinen Laut hervorzubringen und war einer Ohn⸗ macht nahe, welche gerade von dem Gauner herbei⸗ geführt ſein wollte, da das Tuch mit Chloroform getränkt ſchien. Als ſich die Dame wieder erholt hatte, befand ſie ſich im Freſen außerhalb des Bahnhofs und zu ihrer Ueberraſchung in den Af men eines Militärs, der ſie, wie er auf Befrageg mittheilte, auf die Bitte eines Herrn ſo lange hal ten ſollte, bis jener für ſeine Frau, welche ohn⸗ mächtig geworden, eine Droſchke herbeigeholt habe Der Unbekannte ließ ſich natürlich nicht mehr blicken, Später nahm die ſo ſchändlich Ueberfallene waz, daß aus der Taſche ihres Kleides das Portemong mit 34 Thalern und eine goldene Uhr verſchwun⸗ den, und daß es bei dieſem empörenden Vorfall nur auf einen Diebſtahl abgeſehen war. Derſelhe iſt zur Kenntniß der Polizeibehörde gebracht worden, doch hat die Beſtohlene bis jetzt noch keine Nachricht von dem Reſultat der eingeleiteten Unterſuchung erhalten. (Der gebeſſerte Affe.) Vor einigen Jahre war Herr Arpin Beſitzer eines ſehr hübſchen Affen, der aus Amerika ſtammte. Dieſer Affe, ein reizen des kleines, ſanftes Thierchen, das einen leichten Moſchusgeruch um ſich herum verbreitete, gewöhne ſich bald einige der Fehler an, welche das Men ſchengeſchlecht charakteriſiren und die er demſelbeg entlehnte. Er bekam nämlich eine furchtbare denſchaft nach geiſtigen Getränken. Der Affe ſfah alles was er von Branntwein und iqueren ſich aneignen konnte. Es war ganz umſonſt, daß ma ihn aus dem Speiſezimmer fortjagte, er fand im mer Gelegenheit, ſich wieder hineinzuſchleichen Wenn man vom Tiſche aufſtand, ſo ſuchte er fi einer Flaſche zu bemächtigen, trug ſie in eine Ei entkorkte ſie, und wenn ſie noch ſo gut verkorſ war, und betrank ſich wie ein Sackträger. in Herr beſchloß, ihm eine Lection zu geben, die ih von einem Laſter, das für den, welcher ihm ergebeg, und für die Hausbonlüthe ſo gefäbrüch it, be 8 lich vergaß; und als er endlich das finſtere Geſicht des erſten Senators von fern erblickte, beſchloß er, mit dem Freund im Bunde kühn und verwegen allen Hinderniſſen Trotz zu bieten. In der Abſicht machte er ſeinenen Wilibald in aller Eile mit dem Zweck ſeines Hierſeins be⸗ kannt, erzählte ihm alle Unglücksfälle, und bat ihn dringend um ſeine Vermittelung und Hilfe. Nichts hätte dem „Quackſalber von Goldſtadt — wie Degen ſich zu tituliren pflegte — erwünſch⸗ ter kommen können, als dieſe Liebesaffaire. „Und ſollten wir dem alten Senator das Haus über dem Kopf anzünden, rief er, indem er ſich vor Behagen die Hände rieb und mit großen Schrit⸗ ten vor Plattner auf⸗ und niederging, „ſeine Toch⸗ ter muß er hergeben! — wohlgemerkt, wenn Du verſichert biſt, daß ſie Dich wirllich liebt,“ ſetzte er nachfinnend hinzu — „ohne dieſe Gewißheit wür⸗ den wir ein gewagtes Spiel ſpielen!“ Eben wollte Plattner dem Freunde ſeine Be⸗ obachtungen, Hoffnungen und Gründe mittheilen, da erſchien Emilie an der Hand einer Freundin in der Thür des großen Saales, der Allen ohne Aus⸗ nahme für die erſten Stunden zum Sammelplatz diente. Bei ihrem Anblick ſtieß Degen lachend ſeinen Collegen an und rief: „Wenn die Sonne aufgeht, ſo helf Gott dem Neif am Zaun! — Laß mich nur obſerviren, me⸗ ditiren, raiſonniren, calculiren und arrangiren — Du ſollſt nicht zu kurz dabei kommen!“ Damit warf er ſich in die ſummende Harmo⸗ niemitgliedermaſſe hinein und theilte links und rechts Grüße, Witze und Sprichwörter aus. Bald bemerkte Plattner, daß Degenl eigentlich der Mittelpunkt und die Seele der ganzen Gold⸗ ſtädter Geſellſchaft war. Ohne den tollen Doktor ward keine Partie arrangirt, kein Unterhaltungsfpiel begonnen — er mußte Vortänzer, Kapellmeiſter und maitre de plaisir ſein — kurz, ohne Hülſe hätte die Harmonie ſich in kürzeſter Friſt in ein wildes Chaos aufgelöſt. Dieſe Wahrnehmung richtete Plattner's Muth, der bei dem Eintritt des Senators geſunken war, einigermaßen wieder auf. „Mit einem ſolchen Freunde ſchlag ich tauſend Feinde!“ dachte er, und miſchte ſich fröhlich unter die im Saal auf und niederwogenden Mitglieder. Eh' er ſich's verſah, hatte Degen ein munteres Geſellſchaftsſpiel in den Gang gebracht und ihn neben Emilie placirt, für welche zarte Aufmerkſam⸗ keit der verliebte Doctor dem jroniſchen dankbar die Hand drückte. Plattner ließ dieſe Gelegenheit, der Geliebten die Gefühle ſeines Herzens auf verblümte Weiſe zu entdecken, nicht unbenutzt vorübergehen. Das Spiel bot ihm dazu manchen Anlaß. So hatte Emilie einſt die Worte: „Affe und Laffe“ durch Fragen herauszubringen. Als ſie ſich an Plattner wandte, ſollte. Eines Tages ließ man alſo auf Befe g, Arpin's auf dem Tiſche eine Flaſche Selterſer zu dh waſſer ſtehen. Als der Affe das Zimmer geramer Klan ſah, hüpfte er mit einem Sprunge auf den Tiſc 1 b bemächtigte ſich der Flaſche lund verſuchte den Ko i ö herauszuziehen, der aber den Anſtrengungen des 1 6 vier Hände und der ſcharfen Zähnen des Affen 8 widerſtand. Dann nahm er die Flaſche zwischen ſeine Schenkel, drehte ſie nach allen Seiten und U bemerkte bald den Draht, welcher den Kork zurlige hielt. Er biß denſelben mit ſeinen ſcharfen Augen⸗ I ö ſchilderte den erbärmlichen Zierbengel, der nenlich Hag, auf dem Ball in der Reſidenz mit ihr getanzt halte, 5 1 auf eine ſo treffende, den Uebrigen ſo unverſtänd⸗ liche Weiſe, und fügte ſolche Ausdrücke des Schmer⸗ zes über das Loos des Mädchens hinzu, welches eint vor ſeinen Augen von einem derartigen Weſen gez peinigt worden ſei, daß Emilie hocherröthend und lächelnd das fragliche Wort ſogleich zu allgemeinem 8 Erſtaunen verkündete. Mit wahrer Luſt ſah Degen, wie ſein Freu Plattner bewunderungswehrte Fortſchritte in der Eh oberung der Senatorstochter machte; — denn Enie war zu natürlich und offenherzig, als daß ſie ie gendwie ihre Zuneigung hätte verbergen können. Ihr neulſcher Aufenthalt in der Reſidenz bo dem glücklichen Plattner einen äußerſt vorkheilhaffen Anknüpfungspunkt dar. So oft es das Spiel und die Rüäckſicht gegen die Geſellſchaft nur irgend eke erlaubte, unterhielt er ſich mit ihr von dem Leben und Treiben in der Hauptſtadt, und bemerkte zu ſeiner größten Freude, daß Emilie ſeinen Wieden willen gegen die dortigen rauſchenden, herzloſch Vergnügungen in vollem Maße theile. f Die Hoffnung, daß Emilie ihm ihre Liebe zuwenden werde, tröstete ihn über das Mißgeſchik a und die Verlegenheiten, die er ſich an diese Abend noch bereitete. 4 . . 0