tungsblatt 1 k. 70 Pf. excl. Poſtproviſion. Inſerate, welche am Tage vor dem Er hmen Inſerate für uns an. Erſcheint Mittwoch und Samstag und loſtet für Ladenburg und Umgegend vierteljährlich 1 28. 20 J'f. mit illuſtrirtem Anterßal⸗ ſcheinen bis Mittags 12 Uhr in der Expedition eingehen, finden ſofortige Aufnahme und werden die ein⸗ allige Petitzeile oder deren Raum mit 10 Pf., Local⸗Anzeigen mit 6 Pf., Reclamen mit 20 Pf. berechnet. Bei größeren Aufträgen entſprechende abattbewilligung. — Für Schriesheim nimmt Herr Gaſtwirth Franz Carqus zum „deutſchen Kafſer“ jederzeit Inſerate an. — Alle Annoncen⸗Expeditionen Nr. 86. Samſtag, den 25. Oktober 1879. Deutſchland. Berlin, 22. Okt. Der Kaiſer, welcher ute Vorm. 10% Uhr im Potsdamer Bahnhofe ntraf und äußerſt wohl ausſah, verließ elaſtiſchen ſchrittes den Salonwagen, begrüßte die zum Em⸗ ung anweſenden Prinzen, mit denen er ſich ngere Zeit unterhielt, und richtete freundliche Worte mehrere zur Begrüßung erſchienene Herren, amentlich an Hrn. v. Madai und den Grafen v. edern, dem er ſein Beleid über das Hinſcheiden s mit demſelben verwandten Miniſters Bülow aus⸗ Uckte, jedem Einzelnen die Hand ſchüttelnd. Die kahrt vom Bahnhofe nach dem Palais erfolate der Voraufritt des Polizeioberſten Göricke bei hinem Herbſtwetter in offenem zweiſpännigem agen. Eine große Menſchenmenge, die Spalier bildet hatte, empfing den geliebten Kaiſer mit Urrahrufen und Tücherſchwenken. Mittags 12 Uhr aitete der Kaiſer ſeiner Schweſter, der Großher⸗ gin Mutter von Mecklenburg ⸗Schwerin einen Be⸗ ch ab, bei welcher er Nachmittags auch zufammen i dem Bruder Prinz Karl ſpeiste. Inzwiſchen ate der Kaiſer um 2 Uhr den General Boyen upfangen (dem er beim Scheiden aus dem Dienſte en Stern der Großkomthure des Hohenzollern ' ſchen ausordens verliehen hatte), und den Vortrag des izepräf. des Staatsminiſteriums Grafen Stolberg ütgegenge nommen. Baden-Baden, 21. Okt. Der Kaiſer reiſte ute Abend 8 Uhr mit Extrazug nach Berün zurück. Straßburg., 22. Okt. Heute fand bei em Feldmarſchall⸗Statthalter große Galatafel ſtatt, welcher die Großfürſtin Katharina von Rußland ud deren Kinder, ſowie Staatsſekretär Herzog und dere hohe Perſönlichke ten Theil nahmen Straßburg, 20. Okt. Am Samſtag wurde damit begonnen, das alte Kronenburgerthor nieder⸗ zulegen. Die Sprengungen, welche Vormittags 8 Uhr und Nachmittags 4 Uhr ſtattfinden, ſollen vor⸗ ausſichtlich 6 Wochen in Anſpruch nehmen. Aus Langenſalza wird geſchrieben: Wäh⸗ rend der diesjährigen Sommerferien haben vier Schul⸗ knaben der zweiten Klaſſe der hieſigen ſechsklaſſigen Volksſchule, einen Brief an Seine Majeſtät den Kaiſer heimlich abgefaßt und abgeſandt. Der Brief lautet: „Allerdurchlauchtigſter, großmächtigſter König und Kaifer! Eure Majeſtät wird entſchuldigen, daß wir einige Zeilen an Eure Kaiſertiche Hoheit ſchrei⸗ ben. Wir werden zu Oſtern mit dem vierzehnten Lebensjahre aus der Schule entlaſſen und bitten Eure Kaiſerliche Hoheit uns auf die Unteroffizier⸗ Vorſchule zu nehmen, da wir große Luſt und Liebe zu Soldatenſtande haben. Wir ſind vier vaterloſe Kinder, und unſere Mütter ſind zu arm, um uns zu ernähren. Wir haben uns vorgenommen, ein⸗ mal tüchtige Soldaten zu werden und unſere Mütter, ſo Gott will, einmal im Alter zu unterſtützen. Wür⸗ den Eure Majeſtät gnäpigſt unſere Bitte erfüllen, ſo würden wir uns herzlich darüber freuen. Wir werden ſo gut wie moͤglich unſere Soldatenpflicht erfüllen, die uns angelernt wird. Haben wir Eure Kaiſerliche Majeſtät nicht hoch genug geprieſen, ſo bitten wir um gnädige Verzeihung.“ (Folgen die Unterſchriften). — In dieſen Tagen kam aus dem Kriegsgminiſterium eine zuſagende Antwort an die Knaben und die Weiſung, die nöthigen Zeugniſſe ꝛc. beizuſchaffen. undder . eee rel! e e 47 701 F eib tn en Wien, 21. Okt. Die feierliche Werbung des Königs von Spanien um die Hand der Erz⸗ herzogin Marie Chriſtine hat heute durch den außer⸗ ordentlichen Botſchafter, Herzog Baylen, bei dem Kaiſer ſtattgefunden. Unmittelbar nach erhaltener Zuſtimmung des Kaiſers hat der Herzog Baylen das Jawort der Erzherzogin bei deren Mutter eingeholt. Im öſterreichiſchen Reichsrathe iſt eine Vorlage eingebracht worden, welche von der Dota⸗ tion des kaiſerlichen Hofſtaates handelt. Bekannt⸗ lich wird die Civilliſte des Kaiſers von Oeſtreich zur Hälfte von Oeſtreich, zur Hälfte von Ungarn getragen. Im Jahre 1869 wurde die Civilliſte auf 7.300,000 Gulden feſtgeſetzt und zwar gleich auf 10 Jahre. Seither wurde in Folge der allgemeinen Theuerung auch die Civillſſte um 2 Milliouen jähr⸗ lich erhöht. Die neue eingebrachte Vorlage bezweckt nun die Dotation in der feſtgeſtellten Höhe von 9,300,000 Gulden neuerlich auf 10 Jahre feſtzu⸗ ſetzen. Dieſe Vorlage wurde am 17. ohne Dis⸗ kuſſion faſt einſtimmig angenommen. 1202 0 e n en a ai en nie en e Frankreich chem 111 511% 4 Paris. In wenigen Tages wich vas Pe lament wieder zuſammentreten und zwar in Paris, welches ſeit neun Jahren das Schauſpiel einer in ſeinen Mauern tagenden Volksvertretung enthehrt und ſeit 27 Jahren keine republikaniſchen Kammern mehr bei ſich beherbigt hat. Auf's Neue werden die Geſchicke Frankreichs von den Entſcheidungen ab⸗ hängen, welche auf den Gaſſen von Paris gefällt werden Darnach hat Gambetta ſeine Haltung ge⸗ wählt. Er iſt auf die Seite der Radikalen gekreten, weil er ahnte, daß bei den künftigen Kombinationen ein neuer Faktor — der Wille der mächtigen Haupt⸗ ſtadt — den Ausſchlag geben werde und daß, wer Feuilleton. aim e n f 7 „ de relig. ſen Pumoxiſtiſche Erzählung von A. Ci 3 % e und eee Leni n im . 1. Der Lebensmüde. Ein heftiger Aprilſturm pfiff durch die Gaſſen er Reſidenz. Schwere dunkle Wolken flogen von Veſten her in Maſſen über den abendlichen Himmel, 2 nd einzelne fallende Tropfen verkündeten bereits inen ſtarken Platzregen. Nur hie und da ſah man J inen verſpäteten Geſchäftsmann raſchen Schr ttes ee die Häuſer entlang ellen — ſonſt waren die Straßen 10 ill und öde. 20 Unbekümmert um Regen und Sturm ſaß in % dem hohen Erkerfenſter eines ſtattlichen Hauſes ein unger kräftig ausſebender Mann und las emſig in iner alten Chronik. Die Beſchäftigung ſchien je— och eine ungewöhnlche zu ſein, denn die ganze M. 30, Bewohner des ſelben ein Arzt ſein müſſe. Schä⸗ del, Gerippe, chirurgiſche Beſtecke, anatomiſche Prä⸗ — e harate, Bandagen und Apothekerbüchſen ſtanden und ut agen in buntem Gemiſch durcheinander. Julius Platiner, fo hieß der junge Mann, hatte die alte hronik in der That auch nur in einem Anfall von ebensükerdruß aufgeſchlagen. Als er einige Seiten geleſen hat e, ſprang er mißmuthig auf, geng mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder und ſprach bei ſich ſelbſt: Ausstattung des Gemaches deutete darauf hin, daß „Bald muß es anders werden mit mir — dies Leben hab' ich ſatt! Wo man geht und ſteht, auf der Promenade, im Theater, auf der Straße, in der Kirche, in Geſellſchaften, überall iſt Politik das erſte und letzte Wort! „Parlement“ — „deutſcher Bund“ — „Schleswig⸗ Holſtein“ — „Urwahlen“ — „Volksbewaffnung“ — „Barrikaden“ — „Re⸗ publikaner“ — „Reaction“ und „Konſtitution“ ſau⸗ ſen Einem wie Heuſchrecken um die Ohren! — An das geſegnete Jahr 1848 werd' ich mein Lebelang denken! Kaum ſchlägt man die Augen auf, ſo wird man auch ſchon in irgend eine Volksverſammlung gezerrt, dann muß man auf den Exercierplatz und ein paar Stunden mit Säbel und Gewehr herum hantiren, daß Einem die Arme lahm werden; iſt man damit fertig, ſo gilt es, ſich durch zehn bis zwölf Zeitungen hindurcharbejten, um wenigſtens einen Begriff vom Stande der Dinge zu bekommen, und iſt's dann endlich Abend geworden, ſo iſt man „von alle dem ſo dumm, als ging ein Mühlrad im Kopf herum“! — Zu thun bab' ich nichts, gar nichts mehr — die Leute haben das Krankſein über die Politik ganz vergeſſen! — 8 iſt wirklich un⸗ erträglich! Alles ſchwatzt und redet, zu Thaten kommt's ordentlich wieder amputiren, exſtirpiren, trepaniren und ſeciren, daß den Leuten die Haare zu Berge ſtünden — dieſe Faullenzerei hab' ich ſatt! Die alte ſchweinslederne Chronik ärgert mich vollends; da heißt's alle Augenblick: „Und am Tage St. Anaſtaſii, Blaſii oder Gervaſii zogen die ehrenfeſten, hochedlen Herren hinauf und brachten ein ſtattlinch Ding zu 4 NN gar nicht — — ich wollt', ich könnt' einmal recht Ende.“ Ich hab ſeit acht Wochen nichts gethan, als einem armen Schornſteinfegerbuben einen Split⸗ ter aus dem kleinen Finger gezogen! „S iſt: wirklich eine Schande!“ 1 Um feine heiße Stien zu kühlen, öffnete, er das Fenſter und blickte, trotz des hereinſtrömenden Regens, unverwandt in die Gaſſe. Alles war ſtill und dunkel, bis auf ein hellerlzuchtetes Haus, von dem eine luſtige Tanzmuſit herüberſchallte. In den weiten Räumen deſſelben wogte eine bunte Menge auf und nieder. „Auch wieder eine Art, ſich der politiſchen Ge⸗ danken zu entſchlagen!“ murmelte Plattner vor ſich hin. „Schade, daß man einen ſo brillanten Tänzer wie mich vergeſſen hat! Aber halt. — das iſt ja der Ball bei'm Banquier Eichthal;“ rief er da plötz⸗ 8 lich, wie gus einem Traume erwachend, aus, indem er das Fenſter ſchloß, „zu dem hab' ich ja eine feierlich dringende Einladung erhalten — dort ſteckt die Karte noch am Spiegel — und ich Thor ſitze hier A la Fauſt in meineſn finſtern Erkerzimmer und hadre mit Gott und den Menſchen . Friſch auf! Dort nehmen wenigſtens meine Grillen Reiß⸗ aus!“ Damit warf er ſich haſtig in ſeinen Ballſtaat und ſchritt dem ſtattlichen Banquierhauſe zu. Als er ſo plötzlich aus Nacht und Sturm in die wunderreichen, glänzend erleuchteten Sälen trat überkam ihn ein unbeſchreiblich wohlthuendes⸗Gefü. Es däuchte ihm, als müſſe er hier unter den locken . den, lieblichen Tönen und den geſchmückten reizen⸗ den Geſtalten all' ſein Leid vergeſſen.