allen Mitteln, dis ihm zur Verfügung ſtehen, das Land vor den ſchlimmſten Folgen des Ausſtandes zu bewahren. Wie weit das gelingt, werden ſchön die nächſten Tage zeigen. Der reife, geſchulte politiſche Sinn des engliſchen Volkes wird ihm bei der Ueberwindung der gegenwärtigen Gefahr zu⸗ ſtatten kommen. Der Eiſenbahnerſtreik bedeutet den erſten induſtriellen Großkampf, den England ſeit 1914 zu beſtehen Deutſchland. Die Mehrkoſten der Ernährung Reichsſache. Berlin, 1. Okt. Die B. Z. berichtet, im Lauf dieſes Mo⸗ nats werden Verbeſſerungen unſerer Ernährung eintreten, zugleich aber auch infolge der geringen Ausmahlung des Erhöhung nicht die vollen Koſten decken, ſondern es bleibt eine Differerz übrig. Dieſe, ſowohl wie überhaupt die Mehr⸗ koſten des Lebensmittelbedarfs für das Halbjahr Oktober 1919 bis April 1920 werden auf ungefähr 3½ Milliarden Mark geſchätzt. Wie die B. Z. erfährt, werden die geſamten Ausgaben ausſchließlich vom Reich übernommen werden, um Auseinanderſetzungen zwiſchen den Ländern und den Gemeinden und dem Reich zu vermeiden. Eine entſprechende Ergänzung del Neichshaushaltsvoranſchlags wird der Natio- nalverſammlung in Kürze zugehen. Die Zugehörigkeit der Rheinlande. Tit. Rotterdam, 3. Okt. Die „Times“ meldet aus Paris daß eine Erklärung der Verbündeten in der Frage der be⸗ ſetzten Gebiete bevorſteht. Die Erklärung werde entſprechend en Mitteilungen Clemenceaus in der Kammer dahin gehen, daß die Verbündeten keine Aenderung der tatſächlichen Zu⸗ gehörigkeit der Rherukande für jetzt vder ſpäter beabſichtigen. Einladungen zur Waſhingtoner Arbeiterkonferenz. T.. Berlin, 3. Okt. Es ſind gleichlautende Einladungen zur Teilnahme an der Arbeiterkonfexenz in Washington an den deutſchen und an den öſterreichiſchen Vertreter in Ver⸗ ſailles ergangen. Ueber die Antwort auf dieſe Einladung und über die Entſcheidung, ob daraufhin die Beteiligung Deutſchlands an der Waſhingtoner Konferenz möglich iſt, schweben gegenwärtig Beratungen in Berlin. Die verringerte Kohlenförderung und ihre Folgen. T. Uu. Berlin, 3. Okt. Aus Oberſchleſien werden empfind⸗ liche Rückgänge in der Kohlenförderung gemeldet. Es ſind nur 3372 Wagen gefördert worden gegen 13 000 Wagen in der Friedenszeit und 10 000 Wagen jn der Kriegszeit. Auch aus Weſtfalen lauten die Berichte recht unerfreulich. Es find geſtern nur 11133 Wagen gefördert worden gegen 33 000 Wagen zur Friedenszeit und 23 000 Wagen zur Kriegszeit. Die Reſerven in Berlin ſind geſtern erneut zurückgegangen. Wenn nicht eine erhebliche Beſſerung in den nächſten Tagen erfolgt, ſteht Berlin vor bedenklichen Zuſtänden, da die Win⸗ terkälte, zumal in den Nächten, eingeſetzt hat. Auch die Straßenbeleuchtung erſcheint gefährdet. eee. Der Kampf um den Frieden. Vor Clemenceaus Sturz? Genf, 2. Okt. Nach einer Meldung der Liberts ſoll nach der Ratifikation des Friedensvertrags eine Interpellation über die allgemeine Politik der Regierung den Sturz Clemenceaus und die Bildung eines Miniſteriums der großen „revolutionären Konzentration“ herbeiführen. Man nennt Leon Bourgeois als Miniſterpräſidenten und erzählt, daß Clemenceau alsbald nach der Wahl freiwillig zurücktretan wolle, man ſagt aber auch, daß er ſelbſt ſeinen Nachfolger der Kammer bezeichnen wolle, und zwar ſei dies Viviani. Nach ſeinem Rücktritt wolle dann Clemencean mit Marſchall Joch eine Reiſe nach den Vereinigten Staaten unternehmen. i Die amerikaniſche Ratifizierung geſichert? London, 2. Okt. Newyorker Meldungen des „Daily Telegraph“ beſagen, daß trotz der Beredſamkeit und der Li⸗ 4 Mehrheit, ratifiziert werden. Präſident Wilſon kehrte in dem Bewußtſein, ſich nicht umſonſt geopfert zu haben, nach Hauſe zurück. Am Aufang ſeiner Neiſe, als er zum Volk zn ſprechen begann, war dieſes durch die Zweifel und Be⸗ fürchtungen, die im Senat aufgeworfen wurden, zurückhal⸗ tend. Der Präſident hat durch die Einfachheit und Offenheit zeiner Erklärungen Hunderttauſende von Auhängern der — des unabgeänderten Friedensvertrags ge⸗ en. Im Hauſe Dettinger. Eine Schweizer Familiengeſchichte von Heinrich Köhler. (Nachdruck verboten. Segen Ende September waren Onkel Arnold und Frau Oettinger auf einen ganzen Tag nach dem Wein⸗ Bergshäuschen gekommen, um ihn mit dem jungen Paar Zu verleben. Die Ueberſiedelung Gertruds nach der Stadt ſollte in der nächſten Zeit erfolgen. Vor ihren kritiſchen Blicken nahmen ſich die jungen Eheleute zu⸗ ſammen, ſo daß es den Anſchein hatte, als ob ſie in vollkommener Eintracht lebten. Die alten Herrſchaften hatten eine Neuigkeit mitgebracht. „Die ſind pünktlich da unten,“ ſagte Onkel Arnold lachend. „Geſtern haben wir ein Telegramm aus Zürich bekommen, daß die Familie ſich um einen Thron⸗ 8 rd 1 5 100 Hertrud horchte auf und erkundigte ſich dann n dem Befinden ihrer Schweſter. 10 15 „Es geht ihr gut,“ antwortete ihre Mutter, „und Junge ſoll geſund und kräftig ſein.“ 50 unde, he,“ ſcherzte der Onkel, „ich denke mir, die nten wollen euch ein gutes Beiſpiel geben.“ bardt Düfte ben mehr Glück als wir,“ ſagte Herr Eber⸗ „Nun, um auch ſo Hat en, f det, unde bei dieſem Geſpräch den Kopf ab⸗ 8 Augen waren feucht geworden. Schwager wieder endeſſen Frau Oettinger und ihr f uf waren, 1 Fritz ſein a 2 5 genommen hatte, blieb die a die Jenſterbrüſtung gelegt, ſtehen, 8 Sternen ener ger Entmutigung blickte itterem Gefühle die e loud wiederholte ſich mit 1 Worte ihres 25 3 mehr Glück als wir!“ Verhielt es lic niche „ irtlich⸗ keit ſo? Dieſen beiden ſchi 0 en ehen, während ſie, die das Opfe jedigt dahinlebte und keine Aner es iſt ja wohl noch keine Zeit verloren, glücklich zu werden,“ antworkete der Onkel r gebracht, unbe⸗ kennung dafür fand. 1 alles nach Wunſch zu Getreides eine Erhöhung des Brotpreiſes. Jedoch wird dieſe Die Sowietregierung erſucht um Frieden? Tu. Budapeſt, 3. Okt. Der rumäniſche Oberkom⸗ mandierende gibt bekannt, daß die Moskauer Sowfetregie⸗ rung um ſofortige Friedensverhandlungen bei der rumäni⸗ ſchen Regierung nachgeſucht hat. Prahinachrichten. Polen verlangt ganz Galizien. Tu. Warſchau, 3. Okt. Bezüglich der oſtgaltziſchen Frage hat, wie der Telegraphen Union berichtet wird, die polniſche Friedensdelegation in Paris trotz der bereits ge⸗ fallenen Entſcheidung an Clemenceau eine Note gexſchtet, worin die Notwendigkeit der Einverleibung ganz Galiziens in Polen betont wird. i Neue Pläne d'Annunzios. W. TB. Verſailles, 2. Okt. Aus Fiume wird ge⸗ meldet, die ſüdſlawiſche Regierung habe beſchloſſen, die Jahrgänge 18801890 zn mobiliſteren. Es verlautel weiter, d' Annunzio habe die Abſicht, eine Republik Venedig aus⸗ zurufen, wenn die italieniſche Regierung fortfahre 1 00 desavouieren. Die italieniſchen Kolonſen in Nordamerika und Braſilien unterſtützen d' Annunzio. Erſtere habe be⸗ reits 500 000 Dollars für d'Annunzio geſammelt. 0 Serbiſche Drohung gegen Italien. T.u. Rotterdam, 3. Okt. Aus Newyork wird ge⸗ meldet: Der ſerbiſche Geſandte in Waſhington hat erklärt, daß Serbien zu kämpfen beabſichtige und daß er vor einem ſtalieniſchen Einfall auf ſerbiſches Gebiet warnen müſſe. Deutſche Nationalverſammſung. W. T. B. Berlin, 2. Okt. Am Miniſtertiſch Erzberger. Präſident Fehrenbach eröffnet die Sitzung um 1.20 Uhr nachmittags. 5 Fortſetzung der Beſprechung der Interpellation Dr. Heintze und Gen. über 5 40 die Valutafrage. Abg. Dr. Heim (Ztr.): Die Schuldfrage unſeren Parlamenten zeugt von politiſcher Unreife und ſcha⸗ det unſerer Valuta. Seit der Revolution drucken wir mo⸗ natlich viermal ſo viel Noten als während des Krieges. Helfen kann uns nur Sparſamkeit. Die Korruption iſt un⸗ leugbar. Gegen die Arbeitsunluſt geſchieht nichts. Arbeit iſt heute mehr wert als Kapital. In der Steuergeſetzgebung muß auf die kleinen und mittleren Rentner größere Rück⸗ ſicht genommen werden. Wie kann der Kurs der Mark er⸗ höht werden? Durch Erzeugung neuer Güter, vor allem durch Mehrerzeugung von Kohlen. Wir brauchen ein Kata⸗ logiſterung der uns nötigen Einfuhrartikel und eine Sperre gegen die unnötigen Es wäre zu erwägen, ob wir nicht eine großzügige Auswanderungspolitik treiben müſſen. Wir 8 raſcher geneſen als wir glauben, wenn wir nur ar⸗ eiten. Abg. Wurm (U. S.) wünſcht eine Konferenz von Sachver⸗ ſtändigen, nicht bloß von Intereſſenten, ſondern vor allem von Volkswirtſchaftlern über die Valutafrage. Noch nötiger wäre die Beſchaffung langfriſtiger Kredite in Amerika. Reichsfinanzminiſter Erzberger: Eine Konferenz, wie ſie der Abgeordnete Wurm wünſcht, iſt bereits an der Arbeit. Gewiß kann die Arbeitsmöglichkeit und die Arbeitsluſt nur gehoben werden, wenn die Ernährung gebeſſert wird. Für das Winterhalbjahr will die Regierung 3½ Milliarden be⸗ reitſtellen zur Senkung der Lebensmittelpreiſe. Die Mark hat im Inland viel höheren Wert als für das Ausland. Wir müſſen eine höhere Bewertung im Auslande bewirken. In der heutigen Konferenz im Reichswirtſchaftsminiſterium waren die anweſenden Bankdirektoren einig darin, daß die Zwangswirtſchaft zurzeit nicht gelockert werden dürfe. Die ſtärkſte Förderung der Eigenwirtſchaft, beſonders auf dem Gebiete der Bekleidung, Bau der Textil⸗Rohſtoffe iſt nötig. Es iſt uns bekannt, daß eine wahre Jagd nach fremden Ku⸗ pons und fremden Banknoten ſtattfindet. Maßregeln da⸗ gegen ſind im Gange. Die Valutaanleihe allein wird es natürlich auch nicht machen. Eine Auswanderungspolitik kann die Regierung nicht treiben. Das Deutſche Reich iſt groß genug, um 60 Millionen Menſchen zu ernähren, wenn jeder ſeine Pflicht tut. Abg. Dr. Rießer (D.⸗N.) Nur Arbeit kann uns helfen. Jedes Volk hat die Valuta nach ſeinen Verhältniſſen ver⸗ dient. Die Möglichkeit einer Erhöhung unſerer Valuta hängt beſonders auch von dem Vertrauen ab, das man in den neutralen Ländern unſerer Erholungsmöglichkeit ent⸗ gegenbringt, und dazu gehört, daß das Ja der Reichsregie⸗ rung Ja bleibt und ihr Nein Nein. Durch Verhandlungen e internationale Feſtigung der Valula herbeigeführt Werne unterhaltung in Es folgt die erſte Beratung des Geſetzentwurſeßs zun u änderung der Verordnung über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreibelſehen Die Vorlage geht an den ſozialen Ausſchuß. 4 Es folgt die erſte Beratung des Geſetzentwurſes ſiher das Arbeitsentgelt der Empfänger von Kriegsverſorgungsge⸗ bührniſſen. 1 Reichsarbeitsminiſter Schlicke begründet kurz die Vor lage, die nur ein kleiner Ausſchnitt aus dem großen Miß tärverſorgungsgeſetz ſei, das er noch in dieſem Winter den 80 vorlegen zu können glaube. Klarheit müſſe geſchaffen werden. ö Abg. Hoch (Soz.) iſt im allgemeinen mit dem Entpourſe ciuverſtanden. Einzelne Bedenken könnten in einer An; ſchußberatung gehoben werden. Naturgemäß komme der e iale Ausſchuß in Frage, der am beſten die Beratung deß Betriebsrätegeſetzes für einen Tag unterbrechen könnte, um dieſen Entwurf zu erledigen. Abg. Hilſing (Ztr.): Lohndrückereien der Kriegsbeſchz⸗ digten kommen ſogar in ſtaatlichen Betrieben vor. Arbeitsminiſter Schlicke erklärt für ſich und den Reichs wehrminiſter, daß die von dem Vorredner her vorgebrachten Einzelfälle unterſucht werden ſollen. Abg. Siehr (Dem.): Der Schlichtungsaus ſchuß wird gie Paragraphen des Geſetzes mit Leben füllen müſſen, um ſie zum Wohle unſerer Kriegsbeſchädigten anzuwenden. Die Sitzung dauert an. 5 Der Termin der Reichstagswahlen. München, 3. Okt. Wie von mehrheitsſozialiſtiſche Seite auf Grund von Informationen aus Berliner Parte kreiſen im Geſamtausſchuſſe des bayeriſchen Landtages miß⸗ geteilt wurde, finden die Reichstagswahlen erſt im Mai oder Juni nächſten Jahres ſtatt. Die Weltſtreikbewegung. Der Berliner Metallarbeiterſtreik. Tu. Berlin, 2. Okt. Wie die „Neue B. 3“ von Reichsarbeitsminiſter erfährt, ſind die Verhandlungen zwi ſchen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Metallinin⸗ 298 die vor dem Reichsarbeitsminiſter ſtattfanden, geſche⸗ ert. Generalflreikgefahr? W. T. B. Berlin, 2. Okt. (Amtlich.) Für heute Donners⸗ tag den 2. Oktober vormittags 10 Uhr ſind vom Deutſchen Metallarbeiterverband 30 Verſamlungen anberaumt, zn denen die gewerkſchaftlich organiſierten Induſtriearbeſſer Groß⸗Berlins eingeladen find. Die Teilnahme an den Ver 5 9 1 würde in dem geplanten Umfange den Gene ralſtreik bedeuten. Eine ſolche Abſicht ſpielt denn auch, wie aus der Tonart des Werbeartikels der „Freiheit“ für dieſe Verſammlung unſchwer herauszuleſen iſt, zum mindeſten⸗ bei den unabhängigen u. kommuniſtiſchen Mitveranſtaltern eine Rolle. Es liegt übrigens nahe, die 30 kommuniſtiſchen Verſammlungen, die am Dienstag abend unangemeldet ſtatt⸗ finden ſollten, mit den vom Metallarbeiterverband einbe⸗ rufenen in Verbindung zu bringen, zumal feſtzuſtellen iſt, daß ſehr ſtarke Kräfte am Werke ſind, um die Lohnbewegung der Metallarbeiter in das politiſche Fahrwaſſer zu ſtenern. Ein politiſcher Generalſtreik aber, der zugleich von der kom⸗ muniſtiſchen Partei (Spartakusbund) zur Vorbereitung einer gewaltſamen Umſturzbewegung ausgenutzt werden würde, brächte mit der Gefahr neuer Bürgerkämpfe und der Stockung der Lebensmittelverſorgung der Städte dem deut⸗ ſchen Wirtſchaftsleben und damit der geſamten Bevölkerung die tiefgehendſten Schädigungen und würde unabſehbgre Folgen nach ſich ziehen. Vor einem Mißbrauch der gewerk⸗ ſchaftlichen Freiheit muß daher dringend gewarnt und an das Verantwortlichkeitsgefühl der beteiligten Arbeiterkreiſe appelliert werden. Daß ſeder gewaltſame Uebergriff und jede Störung der öffentlichen Ruhe im Intereſſe der fried⸗ lichen Mehrheit des Volkes mi' allem Nachdruck verhindert werden muß, wird von allen einſichtsvollen Elementen in den Arbeiterkreiſen vollauf verſtanden werden. Der engliſche Eiſenbahnerſtreik. T. U. London, 2. Okt. Amtlich wird gemeldet, da Eiſenbahnverkehr ſich ſtändig beſſert. Geſtern verkehrten, abgeſehen vom Ortsverkehr, über 300 Fernzüge Es melden ſich fortgeſetzt arbeitswillige Eiſenbahner zum Dient 8e iſt Vorſorge getroffen, daß genügend Aushilfsperſonal vor⸗ handen ſein wird, falls die Angeſtellten der Londoner Omni⸗ busangeſtellten in den Ausſtand treten ſollten Die Lebens⸗ mittelverteilung gebt bemerkenswert glatt vonſtatten. 1 a 1 * Wenn ſie auch ein Kind gehabt hätte, ſo würde dieſes ſie über ſo manches hinweggetröſtet, ihr Leben aus⸗ gefüllt und ſie vor verzweifelnden Gedanken bewahrt haben. Die Kluft, die ſie von ihrem Gatten trennte, ſchien jeden Tag größer zu werden, und der Sommer war vergangen, ohne ihr eine rechte Erholung gebracht zu haben. Ihr Mann verkannte ſie, er war ihr nicht gleichgültig, ja, er war ihr in den verfloſſenen Mo⸗ naten immer lieber geworden, aber ſeine Launen und ſein Mißtrauen ließen keine würmere Annäherung auf⸗ kommen. Gerade daß er ſich, allerdings von unlie⸗ benswürdiger Seite, als Mann zeigte, hatte ihn ihr näher gebracht, denn der Mann, der der Frau gefallen ſoll, muß Eindruck auf ſie machen. Und Fritz war in der Ehe ſelbſtändiger, männlicher, beſtimmter gewor⸗ den, auch im Aeußeren hatte er ſich zu 1 0 Vor⸗ teil geändert. Seitdem er das früh we linkiſche, ſchüch⸗ terne Weſen abgelegt hatte, machte er einen vorteil⸗ hafteren Eindruck. Gertrud beobachtete ihn manch⸗ mal von der Seite und wunderte ſich über dieſe Ver⸗ änderung, die ihr durchaus gefiel. Aber das hatte ſie ihm gegenüver auch ſchüchterner gemacht und erſchwerte die Annäherung. . 5 b Während der nächſten Woche blieben die Dinge auf demſelben Punkte ſtehen. Da ſich der Herbſt beſonders freundlich zeigte, hatte man den Aufenthalt Gertruds im Weinbergshäuschen verlängert und fand ſich be⸗ reits in der Mitte des Oktober, als eines Nachmittags die junge Frau, während ſie in ihrem Zimmer in einem Buche las, das Rollen eines Wagens auf dem ſteinigen Wege und dann laute Ausrufe und Lachen hörte. Gleich darauf rief die Stimme ihres Mannes: „Gertrud, komm heraus, es iſt Beſuch da.“ Als ſie, etwas beunruhigt, ſeinem Rufe Folge leiſtete und in die Haustür trat, bekam ſie einen heftigen Schreck und trat beſtürzt einen Schritt zurück. Im Schatten der Nußbäume hielt ein Wagen, aus dem ſoeben Anny in ziemlich auffallender Kleidung ſtieg. Auf einem der Sitze war Walter eifrig um eine Amme beſchäftigt, die ein ganz junges Kind im Steckkiſſen in den Armen hielt. Es war eine kräftige Perſon vom Lande. in der Nationaltracht der Schweize⸗ rinnen, deren Kleidung mit allerlei bunten Bünders verziert war. „Da ſind wir! ... Guten Tag, Gertrud! de iſt eine Ueberraſchung, nicht wahr?“ rief Anny, mit Un⸗ geſtüm auf ihre Schweſter zueilend, um ſie zu um⸗ armen. Aber dieſe kam ihr nicht entgegen, ſie blieb iu der Nähe der Tür ſtehen und mürmelte mit raußes Stimme: 6 Ohne ſich durch den kühlen Empfang abſchrecken zu laſſen, wendete ſich Anny nach der Begrüßung der Schweſter wieder lebhaft nach dem Wagen zurfick. „Marie,“ befahl ſie, „geben Sie auf das Kind acht! — Walter, nimm die Pakete heraus! Wir ſthres doch nicht?“ fragte ſie den etwas verdutzten Schwager als ſie auch dieſem eine Umarmung zuteil werdes ließ. „Mein Mann hat noch Ferien, und da wollten wir die Zeit benützen, um Mama und Onkel Arnold unſer Baby zu zeigen. Geſtern abend ſind wir el etroffen, gerade, als Sie eben fortgeradelt ware, Fritz. Da hörten wir, daß ihr auf dem Weinberg häuschen wohnt, und ich dachte, daß die Landluft dem Kleinen gut bekommen könnte, und ſo überraſchtes wir euch, um einige Tage hier zu bleiben, wenn ih nichts dagegen habt.“ Fritz hörte nicht viel von dieſen Erklärungen, denn ſeine ganze Aufmerkſamkeit war auf ſeine Frau ge richtet, deren Stirn ſtark umdüſtert war und dere Geſicht die äußerſte Beſtürzung ausdrückte. * 95 Fräulein und Frau. Im Anfang, wenn man „Fräulein“ ſſt, So möcht man „Frau“ gern ſein, 8 Und wenn man wirklich „Frau“ mal iſt Fällt es einem plötlich ein: 9 5 2 12 — * 3 Könnt ich noch einmal „Fräulein“ fein, Ach, wär das fein! Olga We